Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung von Gerichtsgebühren und Sachverständigenauslagen bei ruhenden Verfahren nach Ablauf von sechs Monaten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung für die endgültige Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 S. 1 (2.Alt.) ist, dass sich das Verfahren „anderweitig erledigt“.

2. Das ist grds. nicht gegeben, wenn ein Verfahren sechs Monate ruht; eine analoge Anwendung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GKG findet nicht statt.

3. § 63 GKG gilt nicht für Auslagen. Sachverständigenauslagen sind mithin mit Fälligkeit anzufordern, beim ruhenden Verfahren also nach sechs Monaten (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 GKG).

 

Normenkette

GKG § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 9 Abs. 2, § 63 Abs. 1-2

 

Gründe

I.

Mit Beschluss des Senats vom 12. Januar 2012 ist das Ruhen des Verfahrens bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Revision im Verfahren 6 K 1917/07 angeordnet worden.

Auf der Grundlage eines Streitwertes von 411.642,30 € wurde mit Kostenrechnung vom 27. August 2012 ein Betrag von 10.862,30 € bei der Erinnerungsführerin angefordert: Verfahrensgebühr 10.624 €, 442,80 € Sachverständigenauslagen und 15,50 € Dokumentenpauschale; vorliegend streitig sind die beiden erstgenannten Beträge.

Mit Schriftsatz der Erinnerungsführerin vom 03. September 2012 hat diese Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 27. August 2012 eingelegt und zugleich Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung (Antrag auf Vollstreckungsschutz) gestellt. Diesem Antrag ist mit Beschluss des Senats vom 17. September 2012 stattgegeben worden.

Zur Begründung ihrer Erinnerung trägt die Erinnerungsführerin vor, die Kostenrechnung vom 27. August 2012 sei rechtswidrig, weil diese Gebühren noch nicht fällig seien. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH würden vorgenannte Gerichtskosten gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG erst mit einer unbedingten Kostenentscheidung fällig, wobei eine solche unbedingte Kostenentscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren erst mit der Rechtskraft der Kostenentscheidung gegeben sei. Daher stehe nur das Rechtsmittel der Verfassungsbeschwerde, die kein den Eintritt der Rechtskraft hinderndes Rechtsmittel sei, der Fälligkeit nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG entgegen (Hinweis u.a. auf BFH vom 12. Oktober 2005 III E 3/05, BFH/NV 2006, 325).

Im vorliegenden Fall liege keine unbedingte Kostenentscheidung vor. Dies stehe der Fälligkeit der geltend gemachten Gerichtskosten entgegen.

§ 9 Abs. 2 Nr. 3 des GKG, wonach Gebühren und Auslagen im Übrigen fällig würden, wenn das Verfahren 6 Monate ruhe, sei im Finanzgerichtsverfahren nicht anwendbar. Denn insoweit seien die Regelungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5, 52 Abs. 4, 63 Abs. 1 S. 3 und 4 GKG vorrangig und abschließend.

Der Gesetzgeber habe besondere Regelungen für das Finanzgerichtsverfahren geschaffen. Im Hinblick auf die vorab fällige Verfahrensgebühr in Höhe des Mindeststreitwerts hätten die Kläger im Finanzgerichtsverfahren ausreichend der grundsätzlichen Beanspruchung des Gerichts bis zum Ergehen einer rechtskräftigen Kostengrundentscheidung Rechnung getragen. Dies werde bestätigt durch die Regelung in §§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2, 52 Abs. 4, 63 Abs. 1 S. 3 u. 4 u. Abs. 2 GKG sowie in § 9 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. der angegebenen BFH-Rechtsprechung.

Nach Nichtabhilfe ist die Erinnerung dem Bezirksrevisor zur Stellungnahme zugeleitet worden. Dieser hat sich unter dem 20. September 2012 wie folgt geäußert:

„In vorbezeichneter Angelegenheit teile ich mit, dass die Kostenbehandlung in dem oben genannten Verfahren nicht zu beanstanden ist.

Die Gebühr wurde gemäß §§ 3, 34 i. V. mit § 52 Abs. 1 und 3 GKG entsprechend dem Gegenstandswert des Klageverfahrens richtig berechnet und korrekt angesetzt.

In finanzgerichtlichen Verfahren wird die Verfahrensgebühr nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG mit der Einreichung der Klageschrift fällig. Über § 63 Abs. 1 S. 3 und 4 GKG sind die Gebühren in diesen Verfahren vorläufig nach dem in § 52 Abs. 4 bestimmten Mindestwert (1.000 €) nach erfolgter Klageerhebung anzufordern.

Eine Gerichtskostenabschlussrechnung kann jedoch nur ergehen, wenn die Gerichtskosten fällig sind. Auf welcher Grundlage kann ein Kostenbeamter also den über 220,- € hinausgehenden Teil der Gebühren erheben?

Eigentlich dürfte die Frage nach der Fälligkeit gar nicht offen stehen, denn § 6 GKG ist eindeutig. Hiernach wird in einem finanzgerichtlichen Verfahren die Verfahrensgebühr mit Einreichung der Klage fällig. Die Tatsache, dass für die Kostenerhebung zunächst der Mindeststreitwertwert zugrunde zu legen ist, führt dazu, dass zunächst vorab nur geringere Gebühren erhoben werden sollen, als bereits zu diesem Zeitpunkt tatsächlich angefallen sind. Eindeutig ist jedoch, dass die Verfahrensgebühr voll, dass heißt über VV-Nr. 6110 GKG mit 4,0 Gebühren entsteht und auch fällig ist.

Die Fälligkeit des Restbetrages ist also bereits gegeben. Die Erhebung erfolgt jedoch zu einem späteren Zeitpunkt.

Da die Fälligkeit der Verfahrensgebühr eines Klageverfahrens eindeutig in § 6 GKG geregelt ist, kann § 9 GKG in finanzgerichtlichen Verfahren...

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