Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Schadensersatzzahlungen nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit als Werbungskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, können Erwerbsaufwendungen begründen, und die sich daraus ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu WK oder BA führen.

2. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt voraus, dass die – die Aufwendungen auslösenden – schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen.

3. Die Einziehung eines gepfändeten Mietanspruchs führt wirtschaftlich zu einer Zahlung des Drittschuldners an den Pfändungsschuldners und von diesem eine Zahlung an den Pfändungsgläubiger.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Zufluss von Arbeitslohn sowie über den Ansatz von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Klägerin ist verheiratet und wurde in den Streitjahren 2017 und 2018 zusammen mit ihrem Ehemann C B zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann der Klägerin erzielte in den Streitjahren 2017 und 2018 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Versorgungsbezügen sowie Renteneinkünfte. Zudem war der Ehemann der Klägerin an der B Erbengemeinschaft beteiligt, die das Objekt D-strasse … in E vermietete sowie Eigentümer einer vermieteten Eigentumswohnung (ETW) in der F-strasse … in G. Die Klägerin erzielte ausschließlich (geringe) Renteneinkünfte in Höhe von 1.929 € (2017) und 2.014 € (2018).

Über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin wurde am 00.00.2019 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Rechtsanwalt H bestellt. Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren u.a. gerichtlich rechtskräftig festgestellte Schadensersatzansprüche der J GmbH (J), deren Geschäftsführer der Ehemann der Klägerin von 2002 bis zum 30.09.2007 gewesen war. Zuvor war der Ehemann der Klägerin vom Landgericht (LG) K wegen Untreue zum Nachteil der J rechtskräftig zu einer auf Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden (Urteil vom 00.00.2011 – … KLs …/09, Bl. 355 ff. der Gerichtsakte 4 K 367/15). Mit Urteil vom 00.00.2015 (Az: … U …/10) verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) K den Ehemann der Klägerin in einem Zivilprozess aufgrund einer Widerklage der J zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 555.476,71 € zuzüglich Zinsen wegen der der J durch die Untreue entstandenen Schäden (gezahlte Versicherungsprämien ohne Gegenleistung). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Urteile des LG K und des OLG K Bezug genommen.

Die Kosten für die Rechtsverteidigung in den vorgenannten gerichtlichen Verfahren machte der Ehemann der Klägerin im beim Finanzgericht Münster geführten Klageverfahren 4 K 367/15 E geltend. Das Verfahren endete mit einer tatsächlichen Verständigung, wonach der Beklagte Rechtsverfolgungs- und -verteidigungskosten in folgender Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften des Ehemannes der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigte (Bl. 1061 der FG-Akte im Verfahren 4 K 367/15 E):

Jahr

2008

2010

2011

2012

Werbungskosten

28.097,90 €

87.030,31 €

224.854,51 €

9.080,71 €

Hieraus ergaben sich Verlustvorträge, die der Beklagte in den Folgejahren steuermindernd ansetzte.

In der am 14.11.2018 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung 2017 (Bl. 4 ff. der ESt-Akte 2017) erklärte der Ehemann der Klägerin in der Anlage N betreffend die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Bl. 26 der ESt-Akte 2017) Bruttoarbeitslöhne/Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 27.062 € (1. Arbeitsverhältnis, J, in Steuerklasse 3: 19.036 €, 2. Arbeitsverhältnis in Steuerklasse 6: 8.026 €) und wies auf die Abweichung zu den Lohnsteuerbescheinigungen der J GmbH hin. Die Differenz beruhe darauf, dass die J einen Teil der Bezüge nicht ausgezahlt, sondern einbehalten/zurückbehalten habe. Die Einkünfte des Ehemannes aus Vermietung und Verpachtung der Objekte D-strasse … in E sowie F-straße in G erklärten die Eheleute in den Anlagen V jeweils mit 0 € (Bl. 24 und Bl. 28 der ESt-Akte 2017).

In der am 22.01.2019 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung 2018 (Bl. 55 ff. der ESt-Akte 2018) erklärte der Ehemann der Klägerin Bruttoarbeitslöhne/Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 22.980 € (1. Arbeitsverhältnis in Steuerklasse 3, J: 14.748 €, 2. Arbeitsverhältnis in Steuerklasse 6: 8.232 €) und wies wiederum auf die Abweichung zu den Lohnsteuerbescheinigungen der J hin. Die Differenz beruhe wiederum darauf, dass die J einen Teil der Bezüge nicht ausgezahlt, sondern einbehalten/zurückbehalten habe. Bezüglich der Einnahmen aus den Objekten D-strasse … in E und F-strasse … in G sei die Situation unverändert. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten die Einkünfte vorerst mit Null bewertet und keine Formulare beigefügt ...

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