Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug von Nachlassverbindlichkeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfasst als Nachlassverbindlichkeiten auch Schulden, die grundbuchrechtlich durch Grundstücke gesichert sind, welche der Erblasser zuvor unter Nießbrauchsvorbehalt (ohne Übertragung der persönlichen Schuldverpflichtungen) auf den Erben übertragen hatte.

 

Normenkette

BGB § 1047; ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Schulden als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind.

Der Vater des Klägers war Eigentümer unter anderem von sieben Eigentumswohnungen in der A-Straße 1 in R und eines Wohn- und Geschäftshauses in der B-Straße 2 in A. Beide Grundstücke waren mit Hypotheken belastet, die zur Finanzierung des Kaufpreises dienten.

Mit Verträgen vom 29.12.1995 und vom 16.01.2003 übertrug er die beiden Immobilien auf seinen Sohn, den Kläger. In beiden Fällen behielt er sich ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundbesitz vor. Hinsichtlich der Schulden war vereinbart, dass diese beim Vater des Klägers bleiben sollten. In den beiden Verträgen ist dazu Folgendes geregelt:

„Der Erwerber übernimmt die in Abt. II des Grundbuchs eingetragenen Lasten und Beschränkungen sowie die in Abt. III des Grundbuchs eingetragenen Grundpfandrechte, diese jedoch ohne die zugrunde liegenden persönlichen Schuldverpflichtungen, die durch die Grundpfandrechte gesichert werden; die Schuldverpflichtungen verbleiben bei dem Übergeber.”

Der Vater des Klägers verpflichtete sich als Nießbraucher, sämtliche auf dem Grundbesitz ruhenden privaten und öffentlichen Lasten einschließlich der außerordentlichen öffentlichen Lasten zu tragen. Dementsprechend hat er die anfallenden Zinsen und die Tilgung gezahlt.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verträge vom 29.12.1995 (UR-Nr. 615/1995) und vom 16.01.2003 (UR-Nr. 105/2003), die der Notar L in U beurkundet hat.

Am 18.02.2003 starb der Vater des Klägers. Der Kläger ist Alleinerbe. Die Valuten dieser Verbindlichkeiten für die beiden Immobilien, die dem Kläger bereits 1995 bzw. im Januar 2003 übertragen worden waren, betrugen zu diesem Zeitpunkt für beide Immobilien zusammen 3.244.711 Euro.

In der Erbschaftsteuererklärung machte der Kläger diese Schulden, die auf den ihm bereits gehörenden Grundstücken zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers lasteten, als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Kläger zur Erbschaftsteuererklärung eingereichte Ergänzungsliste Erbschaftsteuererklärung zu Zeilen 83 bis 87 sowie die Bestätigung der Bank vom 17.06.2003 Bezug genommen.

Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer berücksichtigte der Beklagte die Schulden nicht als Nachlassverbindlichkeiten. Die Verbindlichkeiten seien im Erbfall nicht abzugsfähig. Der Kläger habe die Verbindlichkeiten zur dinglichen Sicherung übernommen. Für die Zeit des beim Schenker vorbehaltenen Nießbrauchs sei der Schuldendienst vom Schenker im Innenverhältnis persönlich übernommen worden. Mit dessen Tod sei jedoch die Inanspruchnahme des Erwerbers der Grundstücke als aufschiebend bedingte Last eingetreten. Auf H 17 Abs. 2 ErbStR 2003 zu § 7 ErbStG werde hingewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 04.09.2006 insbesondere die Anlage „Erläuterungen” unter Ziffer 9 hingewiesen.

Der Kläger legte Einspruch ein. Die durch den Erbfall übernommenen Schulden seien, wie sich auch aus H 17 Abs. 2 ErbStR 2003 ergebe, zu berücksichtigen. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17.10.2001 (II R 60/99, BStBl. II 2002, 165) werde Bezug genommen.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, es sei zutreffend, dass nach dem Urteil des BFH vom 17.10.2001 erst zum Zeitpunkt des Eintritts der Schuldenübernahme aus einer bisher reinen Schenkung eine gemischte Schenkung werde, da erst dann die aufschiebende Bedingung eingetreten sei. Die durch das Ereignis des Todes des Schenkers übernommenen Schulden könnten daher auf Antrag bei der Besteuerung der Schenkung als Verbindlichkeiten nach § 6 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) berücksichtigt werden. Der Antrag sei bis zum Ablauf des Jahres zu stellen, das auf den Eintritt der Bedingung folge, das sei der 31.12.2004 gewesen. Eine Berücksichtigung im Erbfall sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht möglich.

Der Kläger folgte dieser Auffassung nicht. Er habe lediglich die dingliche Sicherheit übernommen. Dies reiche nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht für eine Schuldübernahme aus. Die persönliche Schuld sei zum Zeitpunkt der Schenkung – anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen – nicht vom Erwerber übernommen worden. Tatsächlich sei es auch so gewesen, dass die Bank erst nach Vorliegen des Erbscheins den Erben in Anspruch genommen und ihn zum 30.09.2003 mit den den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Schulden in Höhe von 3.244.711 Euro belastet habe.

Aus hier nicht streitigen Gründen änderte der Beklagte die Festsetzung der Erbschaftsteuer und s...

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