Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilsbewertung

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Stuttgarter Verfahren geht in seiner Regelbewertung davon aus, dass für die danach bewerteten Anteile der Einfluss auf die Geschäftsführung typisch ist. Für Anteile, die ohne Einfluss auf die Geschäftsführung sind, ist deshalb in R 101 ErbStR eine von der Regelbewertung abweichende Wertermittlung vorgesehen.

 

Normenkette

BewG § 12 Abs. 1 i.V.m. § 9; ErbStR R 100; ErbStR R 101; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 16.06.2009; Aktenzeichen II R 13/07)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung für die vom Erblasser gehaltenen Aktien ein Abschlag nach R 101 Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) wegen fehlenden Einflusses auf die Geschäftsführung vorzunehmen ist.

Der Erblasser H 2 ist am XX.XX.XXXX verstorben. Er ist von seinen beiden Kindern, H 1, der Klägerin (Klin.), und H 3 zu je ½ Anteil beerbt worden.

Zum Nachlass des Erblassers gehörten neben anderen Vermögenswerten Aktien an der Firma E AG. Die Firma ist 1846 von E gegründet und 1924 in eine Familien-Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers gab es außer ihm noch weitere 15 Aktionäre. Die Beteiligungsverhältnisse an der E AG stellten sich am Todestag des Erblassers im Einzelnen wie folgt dar:

Anteilsbesitz zwischen 10,01 und 17,00 %:

H 1

16,72 %

H 3

16,72 %

Q 1

10,04 %

Anteilsbesitz zwischen 5,00 und 10,00 %:

F 1

9,63 %

H 2 (Erblasser)

8,39 %

C 1

7,51 %

B 1

6,93 %

F 2

5,36 %

Anteilsbesitz zwischen 1,00 und 4,99 %:

B 2

3,96 %

B 3

3,96 %

Q 2

2,75 %

G

2,75 %

C 2

1,32 %

C 3

1,32 %

C 4

1,32 %

I

1,32 %

Der Erblasser war mit der Tochter des Urenkels des Firmengründers verheiratet und seit 1975 in der E AG tätig. Von 1978 an gehörte er bis 30.06.2000 dem Vorstand der AG an, im Juli 2000 wechselte er in den Aufsichtsrat des Unternehmens.

Bis zum Tod seines 1996 verstorbenen Sohns K hielt der Erblasser 2,48 % der Aktien, seine Kinder H 1 (die Klin.,), H 3 und K hielten jeweils 9,34 % der Aktien. Nach dem Tod von K gingen dessen Anteile auf die Klin. und ihren Bruder H 3 zu je ¼ und auf den Erblasser zu ½ über. 1998 erwarben die Klin. und ihr Bruder H 3 weitere Anteile von einer Mitgesellschafterin.

Im Rahmen einer Prüfung durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung erfolgte die Bewertung der Anteile an der E AG entsprechend § 12 Abs. 1 ErbStG nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG im Wege der Schätzung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft nach dem sog. Stuttgarter Verfahren. Der nach der sog. Regelbewertung ermittelte gemeine Wert betrug 229/100 DM, so dass sich der Wert der Beteiligung des Erblassers von nominell 1.312.487 DM auf den Todestag auf 3.924.336 DM belief.

Diesen Wert legte das FA bei der Erbschaftsteuerfestsetzung für die beiden Erben zu Grunde. Das FA setzte die Erbschaftsteuer von einem anteiligen Gesamtnettoerwerb von 2.962.872 DM für die Klin. nach Abzug des Freibetrags nach § 16 ErbStG in Höhe von 400.000 DM von einem steuerpflichtigen Erwerb von 2.562.800 DM auf 486.932 DM fest. Dieser Betrag wurde wegen einer Ermäßigung nach § 27 ErbStG wegen mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens (Vorerwerb vom vorverstorbenen Bruders der Klin.) um 35.744 DM vermindert, so dass die Erbschaftsteuer demnach 451.188 DM betrug. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 29.04.2003, Bl. 153 ff. der ErbSt-Akte.

Die Klin. legte Einspruch ein. Der Erblasser habe keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsleitung gehabt. Es sei deswegen ein Bewertungsabschlag nach R 101 ErbStR zu gewähren. Bei der Prüfung der Einflussmöglichkeit sei außer Betracht zu lassen, dass der Erblasser bis zum 30.06.2000 Vorstandsvorsitzender der E AG gewesen sei und danach als Mitglied des Aufsichtsrats bis zu seinem Tod dem Unternehmen angehört habe.

Da kein anderer Gesellschafter zu mehr als 50 % an der AG beteiligt gewesen sei, und die Beteiligungsquote des Erblassers zwischen 5 und 25 % gelegen habe, komme es nach R 101 Abs. 1 ErbStR auf die tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäfte der Hauptversammlung an. Zu berücksichtigen sei, dass alle Aktionäre einen Anteil von 25 % ihrer Stimmrechte auf ein Treuhandgremium übertragen hätten, wodurch sich die eigenen Stimmrechte des Erblassers entsprechend gemindert hätten. Das Treuhandgremium werde aus sich selbst heraus bestellt ohne jegliche Einflussmöglichkeit der Aktionäre. Wegen der Einzelheiten wird auf den Treuhandvertrag vom 07.08.1980 Bezug genommen, Bl. 53 ff. der Gerichtsakte.

Die fehlende Einflussmöglichkeit sei darüber hinaus aus dem Aktiengesetz und der Satzung der Gesellschaft ableitbar. Die Beschlüsse der Hauptversammlung würden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit (über 50 %) gem. § 15 der Satzung gefasst. Für verschiedene Beschlüsse (Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen bzw. Herabsetzungen, Abberufung von Aufsichtsratmitgliedern) sei sogar eine Mehrheit von ¾ des bei Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals ...

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