Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung, Nießbrauch, Surrogat

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt grundsätzlich nur der Inhaber des Kapitalvermögens. Dem Nießbraucher können Kapitaleinkünfte nur ausnahmsweise dann zugerechnet werden, wenn er als wirtschaftlicher Inhaber des Kapitalvermögens auszusehen ist.

2) Bei der Aufgabe eines Grundstücksnießbrauchs, bei dem die Vermietungseinkünfte dem Nießbraucher zugerechnet wurden, zugunsten eines Nießbrauchs an Kapitalvermögen setzt sich der einkünftevermittelnde Vorbehaltsnießbrauch nicht am Kapitalvermögen fort.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1; BGB § § 1030 ff, §§ 1068 ff, 1076 ff; EStG § 2 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob den Klägern Zinseinnahmen zuzurechnen sind.

Die Kläger sind Rentner. Sie wurden aufgrund einer Nichtveranlagungsbescheinigung gem. § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und § 44 b Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) vom 08.08.2007 für die Dauer vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2010 nicht zur Einkommensteuer veranlagt. Mit ihrer für das Streitjahr 2009 eingereichten Einkommensteuererklärung beantragten sie die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge und die Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge, vgl. § 32d Abs. 4 und 6 EStG. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger übertrug mit notariellem Vertrag vom 17.10.2002 (URNr. xxx des Notars X.O.) seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück J-Str. in F auf seinen Sohn N.G. (vgl. § 1 bis 3 des Vertrages). Der nicht dem Kläger gehörende Miteigentumsanteil an dem 669 m² großen Grundstück stand zu je ¼ im Eigentum seiner beiden anderen Kinder C.G. und C.M. Bei der Übertragung seines Miteigentumsanteils behielt der Kläger sich und seiner Ehefrau auf Lebensdauer das unentgeltliche Nießbrauchsrecht vor (vgl. § 4 des Vertrages). Außerdem ließ er sich und seiner Ehefrau u.a. ein lebenslanges Wohnrecht an der Wohnung in der 1. Etage links einräumen (§ 8 des Vertrages). Diese Dienstbarkeiten wurden in Abteilung II des Grundbuches eingetragen.

Mit notariellem Vertrag vom 05.06.2008 (URNr. yyy des Notars N.H.) verkaufte Herr N.G. das in Abteilung II laufende Nummern 7 bis 11 belastete Hausgrundstück an seinen Bruder und seine Schwägerin C.G. und O.G. (§ 2 des Vertrages). Der Kaufpreis i.H.v. 200.000 EUR war gem. § 3 des Kaufvertrages auf das Konto Nr. xyz des Verkäufers bei der E-Bank in F zu zahlen und als Verwendungszweck „Nießbrauch S.G. und J.G.” anzugeben. Käufer und Verkäufer beantragten gem. § 16 des Vertrages die Löschung der zugunsten der Kläger eingetragenen Dienstbarkeiten (Abteilung II laufende Nummern 7 bis 10). Eine entsprechende Bewilligung durch die Kläger war mündlich zugesagt.

Am selben Tag hoben die Beteiligten die in Abteilung II laufende Nummern 7 bis 10 eingetragenen Dienstbarkeiten auf (vgl. II. der Aufhebungsvereinbarung). Die Kläger bewilligten die Löschung der zu ihren Gunsten bestellten Dienstbarkeiten (vgl. III. der Aufhebungsvereinbarung). Als Gegenleistung für die Aufhebung und Löschung der genannten Rechte verpflichtete sich Herr N.G., den Kaufpreis, den er bei Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils erzielte, anzulegen. Die Geldanlage hatte auf übereinstimmende Weisung der Kläger zu erfolgen. Die erzielten Zinsen bzw. die erzielte Rendite sollten den Klägern als Gesamtberechtigten zustehen. Herr N.G. sollte vor dem Tod der Kläger nur mit deren Zustimmung über den erzielten Kaufpreis verfügen können (vgl. IV. der Aufhebungsvereinbarung). Der Vertrag enthielt unter IV. außerdem den Hinweis:

„Herrn J.G. und S.G. ist bekannt und bewusst, dass der Kaufpreis und die Anlage des Kaufpreises durch die vorstehende Vereinbarung nicht gesichert ist. Auch und insbesondere wäre es Herrn N.G. möglich, entgegen der vertraglichen Vereinbarung über den Kaufpreis anderweitig zu verfügen. Die vereinbarte Rendite bzw. die vereinbarten Zinsansprüche wären dann für die Kläger ggf. nicht mehr durchsetzbar, auch und insbesondere im Fall einer Insolvenz von Herrn N.G.. Im Hinblick auf das bestehende Vertrauensverhältnis innerhalb der Familie verzichten Herr J.G. und Frau S.G. auf jegliche Sicherung.”

Die geleisteten Unterschriften der Beteiligten wurden unter der URNr. zzz des Notars N.H. beglaubigt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge vom 17.10.2002 und 05.06.2008 verwiesen.

Unter dem 26.05.2008 beantragte Herr N.G. bei seiner Arbeitgeberin, der E-Bank in F, die Eröffnung eines Habenzinsfreien Girokontos (Stammnummer xyz) mit dem Rubrum

„Nießbrauch S.G. und J.G …”. Am 05.06.2008 legte er der E-Bank einen Auftrag zur Abwicklung eines Nießbrauchs (Kontoguthaben) zwischen N.G., S.G. und J.G. datierend vom 04.06.2008 und unterzeichnet von ihm und den Klägern vor. Hiernach bestellte Herr N.G. an dem gegenwärtigen und künftigen Guthaben auf den genannten Konten zugunsten der Kläger einen Nießbrauch. Besteller und Begünstigte beauftragten die E-Bank, in F, mit Wirkung vom 05.0...

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