Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrauensschutz gegen rückwirkenden Entzug der Gemeinnützigkeit. Gewerbesteuermeßbetrag 1989 bis 1991 und Körperschaftsteuer 1989 bis 1991

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Prüft das FA frühzeitig die Satzung einer gGmbH und erlässt daraufhin neben vorläufigen Bescheinigungen über die Gemeinnützigkeit auch Freistellungsbescheide, genießt die gGmbH Vertrauensschutz, als das FA jedenfalls für zurückliegende Jahre nicht mehr geltend machen darf, die Satzung entspreche nicht den Anforderungen des § 61 Abs. 1 und 2 AO.

2) Einfache Verstöße gegen die Selbstlosigkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertigen nicht den rückwirkenden Entzug der Gemeinnützigkeit.

 

Normenkette

AO 1977 § 63 Abs. 2, § 55 Abs. 1, § 61 Abs. 3

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin (Klin.)

  1. von der Körperschaft- und Gewerbesteuer (GewSt) befreit ist, weil sie als gemeinnützig i. S. d. §§ 51 ff. AO anzuerkennen ist,
  2. falls die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nicht als erfüllt angesehen werden können, in welchem Umfang bestandskräftige Freistellungsbescheide rückwirkend durch Körperschaftsteuer (KSt) und GewSt-Messbescheide ersetzt werden können und
  3. falls auch die Frage zu b) zu Lasten der Klin. zu entscheiden ist, ob die KSt und die GewSt-Messbeträge wegen anderweitiger Ausübung der Bilanzierungswahlrechte (Abschnitt 34 EStR) auf 0,– DM festzusetzen sind.

Die am 03.05.1988 mit einem Stammkapital von 100.000,00 DM gegründete Klin. – eine GmbH – betreibt die „Förderung und Demonstration von Maßnahmen des praktischen Umweltschutzes, u.a. zur Schaffung, Erhaltung und Verbesserung lebensgerechter Umweltbedingungen”. In § 1 der Satzung in der Fassung vom 31.8.1988 bezeichnet sie sich selbst als eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Nach der Satzung (§ 2) verwirklicht die Klin. ihre Zwecke insbesondere durch

  • „Luftreinhaltung bzw. andere Ressourcen schonende Techniken
  • Abfallverwertung und -vermeidung
  • wassersparende und -schonende Techniken
  • beispielhafte Umnutzung alter Industriegebäude im Sinne des Unternehmenszwecks nach ökologischen Gesichtspunkten.

Das schließt den Erwerb und die Verwaltung von der Verwirklichung des Gesellschaftszweckes dienenden Grundstücken und Gebäuden ein.”

Nach § 2 Abs. 2 der Satzung verfolgt das Unternehmen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i. S. d. Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag i. d. F. vom 31.8.1988 Bezug genommen.

Mit Zuwendungsbescheid vom 01.12.1988 bewilligte der Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen für das Projekt umwelt- und sozialverträglicher Gewerbehof auf den Auftrag der Klin. vom 29.01.1988 eine Zuwendung i.H.v. 4.245.592,00 DM, die in Teilbeträgen – entsprechend den allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung – in den Jahren 1989 bis 1991 auszuzahlen war. Nach den allgemeinen Nebenbestimmungen war der von der Klin. vorgelegte Finanzierungsplan hinsichtlich des Gesamtergebnisses verbindlich. Weiter heißt es in 1.2 der allgemeinen Nebenbestimmungen: „Die Einzelansätze dürfen um bis zu 20 v. H. überschritten werden, soweit die Überschreitung durch entsprechende Einsparungen bei anderen Einzelansätzen ausgeglichen werden kann.”

Mit notariellem Kaufvertrag vom 05.07.1989 erwarb die Klin. von der Fa. X… AG ein ehemaliges Industriegrundstück in A-Stadt für 250.000,00 DM. Ziel dieses Erwerbes war es, das mehr als 60 Jahre alte und seit 10 Jahren ungenutzte Industriegebäude (ehemalige Versuchsanstalt der Fa. X…) zu einer Infrastruktur für gewerbliche Kleinbetriebe und für Qualifizierungsmaßnahmen von arbeitslosen Handwerkern und Akademikern umzuwandeln (Schlussverwendungsnachweis der Klin. vom 11.05.1992).

Die Sanierung und Entwicklung des etwa 3.400 qm großen Gebäudekomplexes wurde von der Klin. in Zusammenarbeit mit dem Y… e.V. (Y…) in den Jahren 1988 bis 1991 durchgeführt. Der Kooperationsvertrag zwischen der Klin. und dem Y… wurde am 28.01.1988 unterzeichnet, wobei die Klin. federführend blieb und als unmittelbarer Zuwendungsempfänger für die Geschäftsführung und Abrechnung der Projekte verantwortlich war. Das Y… war im Bereich der ABM-Maßnahmen, der Fortbildung und Schulung von Arbeitslosen sowie dem Wiedereinstieg von Frauen in den Arbeitsalltag tätig. Ferner wurden vom Y… Studien über die Verwendung von umweltverträglichen Materialien bei Industriebauten und über den Einbau und die Nutzungswürdigkeit alternativer Versorgungseinrichtungen in der Industrie erstellt. Das Y… beteiligte sich nach einem Schreiben vom 26.10.1990 an die Klin. mit Fördermitteln i.H.v. 1.520.000,00 DM an der Projektförderung (vgl. Prüfungsakten Band II Bl. 133 ff.).

Für das Projekt Nr.: 324-880 1903, Zukunftsprogramm Montanregionen (Projekt: umwelt- und sozialverträglicher Gewerbehof), dessen Gesamtaufwendungen 6.792.950,00 DM betrugen, wurden insgesamt die Zuwendungen des Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des ZIM-P...

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