rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Geschäftsführers für die Steuerschulden der GmbH bei Verstoß gegen den Grundsatz der anteiligen Tilgung und unterlassener Mitwirkung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gerät eine GmbH in Zahlungsschwierigkeiten, so gehört es zu den Pflichten der zur gesetzlichen Vertretung berufenen Geschäftsführer, die Steuerschulden der GmbH in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel zumindest grob fahrlässig.

2. Bei Verstoß gegen diesen sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme).

3. Insoweit trägt zwar die Finanzbehörde die Beweislast, der Geschäftsführer hat jedoch seine Mitwirkungspflicht nicht erfüllt und muss eine vom FA getroffene Feststellung über die Liquidität der GmbH grundsätzlich gegen sich gelten lassen, wenn er im Rahmen der Haftungsanfrage des FA hinsichtlich der Höhe der liquiden Mittel und deren Verwendung keine Stellung zu den konkret dargelegten Pflichtverletzungen und zu dem damit in Zusammenhang stehenden Schuldvorwurf genommen hat.

4. Soweit sich der Geschäftsführer auf wiederholte schwerwiegende Erkrankungen beruft, hätte er entweder sein Amt als Geschäftsführer niederlegen oder mit der Erfüllung seiner Aufgaben einen Vertreter oder steuerlichen Berater beauftragen müssen.

5. Hat die GmbH noch über einen umfangreichen Bestand an technischen Anlagen und Maschinen verfügt und der Geschäftsführer den Erlös aus deren Verkauf jedoch nicht zur Befriedigung des Fiskus, sondern ausschließlich der übrigen Gläubiger verwendet, so dass der Fiskus letztlich der einzige Gläubiger bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH war, so hat der Geschäftsführer den Fiskus grob schuldhaft benachteiligt.

 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1, § 69 Sätze 1-2, § 191 Abs. 1; GmbHG § 35 Abs. 1

 

Tenor

1. Unter Änderung des Haftungsbescheids vom 21. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2010 wird die Haftungssumme auf 49.616,29 EUR herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Steuerschulden der Firma P GmbH (GmbH) in Haftung genommen worden ist.

Die GmbH wurde mit notariellem Vertrag vom 17. Dezember 2002 gegründet, Unternehmensgegenstand war der Handel mit Metallen sowie die Metallveredelung, -verarbeitung und -wiederaufbereitung. Mit Gesellschafterbeschluss ebenfalls vom 17. Dezember 2002 wurde der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt. Gesellschafter der GmbH waren je zur Hälfte L und die Firma V Grundstücks- und VermögensverwaltungsAG (AG), die ebenfalls vom Kläger als Generalbevollmächtigten vertreten wurde.

In den Jahren 2002 bis 2004 hatte die GmbH von der AG deren Anlagevermögen erworben. Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Vorsteuerabzug wurde vom FA nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht zugelassen, da der Erwerb des Anlagevermögens als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen bewertet wurde (vgl. Bericht vom 3. August 2005 und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004 jeweils vom 22. August 2005). Die dagegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht München hatte keinen Erfolg, sie wurde mit Urteil vom 19. Februar 2009 als unbegründet zurückgewiesen (Az: 14 K 4924/06). Die Beschwerde der GmbH wegen Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 16. November 2009 als unbegründet zurückgewiesen.

Die AG wurde 2006 im Handelsregister gelöscht. Der Betrieb der GmbH wurde im September 2005 eingestellt und das Gewerbe zum 23. Januar 2006 abgemeldet. Der Löschung der GmbH im Handelsregister wurde durch den Kläger am 27. November 2007 widersprochen, da die Firma wegen bestehender Forderungen gegen das Finanzamt (FA) und verschiedene andere Schuldner nicht vermögenslos sei.

Vollstreckungsmaßnahmen des FA im Zusammenhang mit offenen Steuerschulden der GmbH blieben erfolglos. Am 20. November 2006 stellte das FA einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, da eine am 8. November 2005 bei der VR-Bank Rottal-Inn angebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügung sowie eine Zahlungssaufforderung des Vollziehungsbeamten vom 3. November 2006 erfolglos geblieben und seit 1. Juni 2006 keine Zahlungen mehr erfolgt seien. Mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 12. April 2007 wurde der Antrag als unzulässig abgewiesen. Aus dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 27. Februar 2007 ergab sich, dass die GmbH zahlungsunfähig und überschuldet sei. Verbindlichkeiten bestünden ausschließlich gegenüber dem FA.

Nach vorheriger Ankündigung und Anhörung ...

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