Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktive Erbenstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Auslegung des § 15 Abs. 3 Satz 1 ErbStG hinsichtlich der Reichweite der Steuerklassenbegünstigung

 

Normenkette

BGB §§ 2269-2270; ErbStG § 15 Abs. 3 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.08.2008; Aktenzeichen II R 23/06)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz ErbStG nur die Hälfte oder ihren gesamten (1/4-)Erbanteil nach der für das Verhältnis zu ihrem (vorverstorbenen) Onkel geltenden Steuerklasse II zu versteuern haben.

Der im Dezember 1986 (vor-)verstorbene Onkel der Kläger, Herr C, hatte mit seiner im März 2004 (nach-)verstorbenen Ehefrau, Frau C- der Erblasserin – unter dem 25. Oktober 1983 einen notariellen Erbvertrag (Urk.-Nr. … des in der Stadt L ansässigen Notars Dr. S) geschlossen, in dem sich die Ehegatten zunächst gegenseitig zum unbeschränkten Alleinerben des Erstversterbenden von ihnen berufen und hinsichtlich der Erbfolge nach dem Tod des Längstlebenden in Teil II der Vertragsurkunde weiter verfügt hatten:

„Der Zuletztversterbende von uns setzt zu seinen Erben ein:

  1. Herrn F (Bruder des … Herrn C), … zu 3/6 Anteil;

    Ersatzerben sind dessen Kinder:

    1. Frau T, …
    2. Herr X, …

    zu gleichen Teilen;

  2. die Cousinen der … Frau C:

    1. Frau L, …, zu 1/6 Anteil,

      Ersatzerben sind deren Kinder: … zu gleichen Teilen

    2. Frau H, …, zu 1/6 Anteil,

      Ersatzerben ist deren Sohn: …

    3. Frau G, …, zu 1/6 Anteil,

      Ersatzerbe ist deren Tochter: …”

Der Erbvertrag enthält im Anschluss an den maschinenschriftlichen Text folgenden handschriftlich ergänzten Zusatz:

„Sollte Herr C zuerst sterben, kann Frau C eine andere Verfügung von Todes wegen treffen, soweit ihre Cousinen – vgl. Teil II Ziff. 2 – betroffen sind.

Sollte Frau C zuerst sterben, kann Herr C eine andere Verfügung von Todes wegen treffen, soweit sein Bruder – vgl. Teil II Ziff. 1 – betroffen ist…”

Tatsächlich hat die Erblasserin nach dem Tod ihres vorverstorbenen Ehemannes von der ihr eingeräumten (beschränkten) Änderungsbefugnis keinen Gebrauch gemacht.

In der am 13. Oktober 2004 eingereichten, von dem Testamentsvollstrecker unter Mitwirkung seines steuerlichen Beraters gefertigten Erbschaftsteuererklärung wies dieser unter der Rubrik „Bemerkungen” darauf hin, die Kläger seien Geschwisterkinder des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin und für diese sei durch die im Erbvertrag (Zusatz) enthaltene Bindungsklausel bestimmt, dass sie – die Kläger – unmittelbare Erben des vorverstorbenen Ehemannes seien. Infolgedessen sei bei der Erbschaftsteuerberechnung § 15 Abs. 3 ErbStG (Steuerklasse II) zu beachten, wobei der Anteil des dem Ehemann gehörenden Vermögens an dem am Todestag vorhandenen Gesamtvermögen der Erblasserin auf 40 v.H. geschätzt werde.

In einem im Nachgang zu der Erbschaftsteuererklärung übersandten Schreiben vom 18. Oktober 2004, auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, erläuterte der Steuerberater des Testamentsvollstreckers diesen Vermerk dahin, dass die Schätzung des Anteils des Ehemannes an dem zum Stichtag vorhandenen Gesamtvermögen i.H. von 40 v.H. auf der Entwicklung der Guthaben bei den verschiedenen Geldinstituten und dem anteiligen Wert an dem gemeinsamen Einfamilienhaus beruhe.

Unter dem 23. Oktober 2004 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie und ihr Bruder – der Kläger – entgegen der Auffassung des Testamentsvollstreckers bzw. seines steuerlichen Beraters nach § 15 Abs. 3 ErbStG zu 100 v.H. als Erben ihres vorverstorbenen Onkels gälten und der Erbschaftsteuerfestsetzung daher ausschließlich Steuerklasse II zugrunde zu legen sei. Dabei bestehe Einigkeit darüber, dass das im Nachlass der Erblasserin am Todestag noch vorhandene Vermögen zur Hälfte aus dem Vermögen ihres vorverstorbenen Ehemannes Herrn C stamme.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2005 setzte der Beklagte ausgehend von einem Wert des Erwerbs i.H. von 62.055 Euro Erbschaftsteuer i.H. von jeweils 7.467 Euro gegen die Kläger fest. In der Anlage zu dem an den Steuerberater des Testamentsvollstreckers als dessen Empfangsbevollmächtigten bekannt gegebenen Bescheid berechnete der Beklagte die Steuer unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 ErbStG für jeden der Kläger wie folgt:

Gesamtwert der Nachlassgegenstände:

291.995 Euro

Gesamtwert der Nachlassverbindlichkeiten:

43.763 Euro

Anteiliger Erwerb des Klägers/der Klägerin (1/4) =

72.998 Euro

10.940 Euro

Herr C(50 v.H.)

Frau C(50 v.H.)

Nachlass:

36.499 Euro

36.499 Euro

Kosten:

10.940 Euro

Freibetrag:

10.300 Euro

abgerundet:

26.100 Euro

25.500 Euro

Steuersatz:

(12 v.H.)

3.132 Euro

(17 v.H.)

4.335 Euro

Gesamtsteuer:

7.467 Euro

Hinsichtlich der Abweichungen zu den erklärten Angaben verwies der Beklagte auf ein der Klägerin übersandtes Erörterungsschreiben vom 10. Dezember 2004, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Hiergegen legten die Kläger am 22. Februar 2005 (Klägerin) bzw. 23. Februar 2005 (Kläger) unter Hinweis auf ihre bereits vor Durchführung der Veranlagung geäußerte Rechtsauffassung, dass ihr gesamter Erwerb dem für Steuer...

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