Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarkeit des Vollzugs der Erbschaftsteuerfestsetzung mit Art 14 Abs 1 GG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Ansatz eines von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden erworbenen Vermächtnisanspruchs mit seinem Wert zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer widerspricht grundsätzlich nicht den Wertungen des Gesetzgebers.
  2. Eine Billigkeitsmaßnahme ist aber geboten, wenn es beim Vollzug einer Norm in einem Härtefall zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Problemlage kommt.
  3. Muss der Vermächtnisnehmer für eine Zuwendung von 500.000 € eine Erbschaftsteuer von 143.492 € entrichten, obwohl er auf Grund des Vermächtnisses nur insgesamt 87.836,66 € erhalten hat und mit weiteren Zahlungen aus dem insolventen Nachlass nicht mehr gerechnet werden kann, ist dieses Ergebnis mit Art 14 Abs 1 GG nicht zu vereinbaren und eine abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen auf der Grundlage des dem Vermächtnisnehmer verbleibenden privaten Nutzens geboten.
 

Normenkette

AO § 163 S. 1; ErbStG 1997 § 9 Abs. 1 Nr. 1; ErbStG §§ 11, 12 Abs. 1; BewG 1991 § 12 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Erblasser vermachte dem Kläger mit notariell beurkundetem Erbvertrag vom…Februar 2001 einen Betrag von 500.000 EUR. Ferner setzte er mit Testament vom…November 2001 seine Ehefrau, A, zu seiner Erbin ein.

Der Erblasser verstarb am…Juli 2003. Er wurde von A beerbt.

Da A den vom Kläger geltend gemachten Vermächtnisanspruch nicht erfüllte, erhob der Kläger im November 2003 beim Landgericht B – Az – eine Teilklage auf Zahlung von 200.000 EUR. Das Landgericht B verurteilte A am 7. Mai 2004, an das Finanzamt C, das den Vermächtnisanspruch zwischenzeitlich gepfändet hatte, 200.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die gegen dieses Urteil von A eingelegte Berufung wies das Oberlandesgericht B mit Beschluss vom 10. Februar 2005 zurück. Das Finanzamt C erhielt auf Grund des Urteils vom 7. Mai 2004 von A im März 2005 Zahlungen von insgesamt 87.836,66 EUR, die auf die Steuerschulden des Klägers angerechnet wurden.

Im März 2005 erhob der Kläger beim Landgericht B – Az – Klage gegen A auf Zahlung des Restbetrags von 300.000 EUR. A erhob mit Schriftsatz vom 19. Mai 2005 die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses und übersandte eine Aufstellung der Nachlasswerte sowie der Nachlassverbindlichkeiten ohne Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten Vermächtnisanspruchs (Bl. 35 der Akte des Landgerichts B). Das Landgericht B verurteilte A am 11. August 2005, an die Stadt B und den Kläger insgesamt 300.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen. A wurde die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass vorbehalten. Insoweit führte das Landgericht B aus, es sei erst im Vollstreckungsverfahren zu entscheiden, ob und inwieweit der Nachlass zur Befriedigung der Stadt B und des Klägers ausreiche.

Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 15. Februar 2006 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung 44.804 EUR Erbschaftsteuer fest. Dabei ging es auf der Grundlage des Urteils des Landgerichts B vom 7. Mai 2004 noch von einem Vermächtnisanspruch des Klägers von 200.000 EUR aus.

Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend: A habe bislang nur 87.836,66 EUR an das Finanzamt B entrichtet. Hiervon entfielen 18.712,03 EUR auf Zinsen. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien bislang erfolglos geblieben. Die Erbschaftsteuer sei jedenfalls gemäß § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) abweichend unter Berücksichtigung seines tatsächlichen bisherigen Erwerbs festzusetzen.

A errichtete auf Grund Beschlusses des Amtsgerichts D am 27. November 2006 ein notariell beurkundetes Nachlassverzeichnis (Bl. 65 der Gerichtsakte).

Das beklagte Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen den Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2007 auf 143.492 EUR neu fest und lehnte eine abweichende Festsetzung der Steuer nach § 163 Satz 1 AO ab. Dabei ging es von einem Wert des Vermächtnisanspruchs des Klägers von 500.000 EUR aus und führte aus: Gründe für eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 Satz 1 AO seien weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers komme es für die Besteuerung nicht auf die Erfüllung eines Vermächtnisses, sondern auf den durch den Tod des Erblassers unmittelbar bewirkten Rechtserwerb an.

Der Kläger hat beim Finanzgericht Düsseldorf in dem Verfahren 4 K 4735/07 Erb Klage erhoben, mit der er u.a. geltend gemacht hat, dass das beklagte Finanzamt die Steuer jedenfalls nach § 163 Satz 1 AO habe abweichend festsetzen müssen. Die Klage wurde insoweit nach § 45 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren behandelt.

Das Finanzamt B beantragte im August 2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von A. A verstarb am…Januar 2009. Ein vom Finanzamt B alsdann gestellter Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wurde vom Amtsgericht B mit Beschluss vom 4. Juni 2009 mangels Masse abgewiesen.

Das beklagt...

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