Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederholung der gesamten mündlichen Steuerberaterprüfung auch bei Fehlerhaftigkeit der Entscheidung über nur einen Prüfungsabschnitt. Bewertung von Zeugenaussagen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erweist sich die Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Steuerberaterprüfung als fehlerhaft, so hat der Prüfling einen Anspruch darauf, den von dem Verfahrensfehler betroffenen Teil der Prüfung wiederholen zu dürfen.

2. Betrifft die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung nur einen einzelnen Abschnitt der mündlichen Prüfung, so ist gleichwohl die gesamte mündliche Prüfung zu wiederholen. Die Wiederholung beschränkt sich nicht auf diesen einzelnen Prüfungsabschnitt.

3. Ausführungen zur Bewertung und Glaubwürdigkeit der Aussagen der über den Ablauf der mündlichen Prüfung und des Überdenkungsverfahrens vernommenen Zeugen.

 

Normenkette

StBerG §§ 35, 37; DVStB § 29; FGO §§ 82, 96 Abs. 1 S. 1; ZPO § 373

 

Tenor

Der mündliche Prüfungsbescheid vom 11.02.2004 aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin im Rahmen einer erstmaligen Prüfung erneut zur mündlichen Prüfung zuzulassen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin nahm im Wege eines Erstantrags an der Steuerberaterprüfung 2003 teil. Nachdem der Prüfungsausschuss für Steuerberater bei dem Beklagten die Aufsichtsarbeiten der Klägerin mit 4,0 (zweimal) sowie 4,5 bewertet hatte, erreichte die Klägerin in der schriftlichen Prüfung eine Gesamtnote von 4,16.

Ausweislich der Niederschrift über den mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung 2003 am 11.02.2004 erreichte die Klägerin in der mündlichen Prüfung (mündlicher Vortrag sowie sechs Prüfungsgebiete) eine Notensumme von 31,50. Hieraus ergab sich für die mündliche Prüfung ein Durchschnitt von 4,50. Die Endnote belief sich demnach auf 4,33 ([4,16 + 4,50]: 2). Daraufhin entschied der Prüfungsausschuss, dass die Klägerin die Prüfung nicht bestanden habe. Der Vorsitzende gab der Klägerin das Ergebnis bekannt und begründete ausweislich der Niederschrift diese Entscheidung.

Mit Schreiben vom 27.02.2004 auf dessen Einzelheiten der Senat sich bezieht, erbat die Klägerin eine schriftliche und detaillierte Begründung der Prüfungsentscheidung vom 11.02.2004. Zugleich rügte die Klägerin hinsichtlich des Prüfers und Prüfungskommissionsvorsitzenden Herrn A. die Besorgnis der Befangenheit. Hierbei bezog sich die Klägerin auf den Inhalt eines Telefongesprächs mit Herrn A. am 16.02.2004. In diesem Telefonat, das zwei Zeugen bestätigen könnten, habe Herr A. zum einen eine Verwechselung eingeräumt. Zum anderen habe Herr A. deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Prüfungsausschuss in jedem Falle an der einmal bekannt gegebenen Note festhalten werde. Sodann erstellte der Prüfungsausschuss eine schriftliche Zusammenfassung seiner Begründung für die Benotung der mündlichen Leistungen der Klägerin, auf die Einzelheiten dieser Stellungnahme nimmt der Senat Bezug.

Im Zuge des anschließenden Klageverfahrens erläuterte die Klägerin mit Schreiben vom 28.06.2004 ihren Antrag auf Einleitung eines Überdenkungsverfahrens gemäß § 29 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB). Unter Vorsitz von Herrn A. gelangte der Prüfungsausschuss im Zuge des Überdenkensverfahrens zu dem Ergebnis, dass die Klägerin keine begründeten Einwendungen gegen die Bewertung erhoben habe und demzufolge es bei den vom Ausschuss in der mündlichen Prüfung festgesetzten Noten verbleibe. Dementsprechend teilte der Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf die Stellungnahmen der Ausschussmitglieder mit, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses nicht geändert werde. Auch insoweit verweist der Senat auf die einzelnen schriftlichen Stellungnahmen der an der mündlichen Prüfung beteiligten Prüfer. In einer weiteren Stellungnahme vom 16.02.2005 sah der Prüfungsausschuss im Hinblick auf die Sachverhaltsdarstellung durch seinen Vorsitzenden keinen Anlass, die Befangenheit von Herrn A. zu besorgen. Im Übrigen verneinte der Ausschuss mit ins Einzelne gehender Begründung die Notwendigkeit, das Prüfungsergebnis zu ändern.

Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt: Die Prüfung am 11.02.2004 leide an verschiedenen Verfahrensfehlern.

1. Hinsichtlich der Person des Prüfungsvorsitzenden, Herrn A., sei dessen Befangenheit zu besorgen. In einem Telefongespräch am 16.02.2004, das Herrn I., sowie der sie behandelnde Therapeut, Herr Dr. B., im Einverständnis mit Herrn A. mitgehört hätten, habe Herr A. geäußert, dass eine Anfechtung des Prüfungsergebnisses nichts bringen werde. Gegebenenfalls würde sich nämlich der Prüfungsausschuss darauf verständigen, dass die Note in jedem Falle bleibe und der Kurzvortrag in der Weise gewertet würde, als habe sie, die Klägerin, das Thema verfehlt. Nachdem Herrn A. ausdrücklich dem Mithören des Telefongesprächs zugestimmt habe, bestehe insoweit auch kein Verwertungsverbot.

2. Ein weiterer Verfahrensfehler sei in der...

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