Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer 1995 (Billigkeit)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.07.2000; Aktenzeichen 2 BvR 159/00)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der verheiratete Kläger (Kl) hat … seine juristische Ausbildung mit Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens beendet. Seit Beginn des Jahres 1995 war er – zunächst mit einem befristeten Arbeitsvertrag – bei der … beschäftigt. Die Kläger (Kl) behielten ihren gemeinsamen Wohnsitz in … auch nach diesem Zeitpunkt aufrecht.

In der am 29. April 1996 beim Beklagten (Bekl) eingereichten Einkommensteuer (ESt)-Erklärung 1995 machte der Kl bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit unter anderem folgende, nach Dienstreisegrundsätzen ermittelten Aufwendungen als Werbungskosten geltend:

Fahrtkosten: 18 × 1.370 km × 0,52 DM

= 12.823,20 DM

1 Heimreise mit dem Flugzeug

538,00 DM

Verpflegungsmehraufwendungen 215 Tage × 46,– DM

= 9.890,00 DM

Im ESt-Bescheid 1995 vom 21. August 1996 berücksichtigte der Bekl diese Aufwendungen unter Anwendung der Grundsätze zur doppelten Haushaltsführung wie folgt:

Fahrtkosten: 18 × 685 km × 0,70 DM

= 8.631,00 DM

1 Heimreise Flugzeug

538,00 DM

Verpflegungsmehraufwendungen:

10 Tage × 46,00 DM

460,00 DM

205 Tage × 16,00 DM

= 3.280,00 DM

Diesen Antrag lehnte der Bekl mit Verwaltungsakt vom 16. März 1998 ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit seiner Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 1998 als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kl vor, die ihm durch seine Tätigkeit in … entstandenen Aufwendungen seien der Höhe nach den Dienstreisegrundsätzen zu behandeln. Nach zwei Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF-Schreiben vom 9. November 1994, BStBl I 1994, 868 und vom 21. Mai 1991, BStBl I 1991, 536) sei bei Arbeitnehmern aus den alten Bundesländern, die in den neuen Bundesländern tätig seien, bis zum 31. Dezember 1995 zeitlich unbeschränkt von den Voraussetzungen von Dienstreisen auszugehen. Erst ab dem 1. Januar 1996 seien die Grundsätze über die doppelte Haushaltsführung anzuwenden.

Entgegen der Auffassung des Bekl seien diese BMF-Schreiben auch in seinem Streitfall anzuwenden. Denn Voraussetzung sei nicht das Vorliegen der Voraussetzungen einer Dienstreise, sondern immer dann, wenn die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung vorlägen, seien die Dienstreisegrundsätze anzuwenden. Dies führe dazu, daß diese Verwaltungsregelung im vorliegenden Streitfall direkt einschlägig sei. Der Ermessensspielraum des Bekl sei deshalb auf Null reduziert.

Selbst wenn diese BMF-Schreiben nicht direkt dem Wortlaut nach anzuwenden seien, müßten nach dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Grundgesetz (GG) und einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Streitfall die Dienstreisegrundsätze gelten. Denn Aufwendungen eines Selbständigen für Geschäftsreisen aus den alten Bundesländern in die neuen Bundesländer würden in den entsprechenden Veranlagungszeiträumen unbeschränkt anerkannt. Diesen Reisen liege aber derselbe Lebenssachverhalt zugrunde wie bei Arbeitnehmern. Folglich seien beide Sachverhalte auch steuerlich gleich zu behandeln, da ein steuerlicher Anreiz für eine Tätigkeit in den neuen Bundesländern für alle Einkunftsarten gewährt werden sollte. Denn Zweck dieser Verwaltungsanweisungen sei die dauerhafte Gewährleistung eines Know-how-Transfers von West nach Ost auch über die Dreimonatsfrist hinaus. Es könne deshalb keinen Unterschied machen, ob ein Arbeitnehmer erstmals eine Tätigkeit aufnehme, von einem Arbeitgeber abgeordnet werde oder als Selbständiger tätig sei.

Deutlich verletzt werde der Gleichheitsgrundsatz bei einem Vergleich mit der Gruppe der nach Ablegung der zweiten juristischen Staatsprüfung in den alten Bundesländern neu zugelassenen Rechtsanwälte mit dortigem Kanzleisitz, welche dann unmittelbar anschließend für einen Zeitraum über drei Monate hinaus in den neuen Bundesländern beratend tätig seien. Denn hier könne weder von einer Abordnung durch einen Arbeitgeber noch von einem Weisungsrecht ausgegangen werden.

Vielmehr handele es sich bei der oben zitierten Verwaltungsanweisung um eine Subventionsvorschrift. Eine Differenzierung danach, ob eine erstmalige Arbeitsaufnahme oder eine Abordnung vorliege, sei in ihr nicht getroffen. Dies könne auch nicht Sinn und Zweck des Erlasses sein.

Sowohl ein Vergleich mit der vergleichbaren Gruppe der abhängig Beschäftigten als auch der vergleichbar selbständig Tätigen zwinge zu einer Anwendung des Erlasses und zu einer Ermessensreduzierung auf Null.

Die Kl beantragen,

  1. unter Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsaktes vom 18. März 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Mai 1998 den Bekl zu verpflichten, den ESt-Bescheid 1995 vom 21. August 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 1997 dahingehend zu ändern, daß bei den Einkünften des Kl aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 10.342,20 DM ...

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