Entscheidungsstichwort (Thema)

Bis zum Ableben der Verpflichteten gestundete Abfindungszahlung ist Nachlassverbindlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verzichtet der Sohn zugunsten seiner Mutter gegen eine Abfindung auf den ihm nach dem Tod seines Vaters zustehenden Pflichtteil, so ist die Verbindlichkeit hinsichtlich der zu zahlenden Abfindung bereits in der Person der Mutter entstanden.

2. Wird die Abfindung bis zum Tod der Mutter (verzinslich) gestundet, kommt ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit vom Nachlass der Mutter in Betracht.

 

Normenkette

ErbStG § 10 Abs. 5 Nrn. 1-2

 

Tenor

1) Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2012 wird der Bescheid über Erbschaftsteuer, zuletzt vom 13. Juli 2012, geändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe durch Berücksichtigung einer weiteren Nachlassverbindlichkeit i.H.v. 205.000 EUR zu errechnen, dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid über Erbschaftsteuer mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

2) Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3) Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4) Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

5) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Ansatz einer bis zum Ableben der Verpflichteten gestundeten Abfindungszahlung als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).

Der Kläger ist zusammen mit seinem Bruder Erbe seiner am xx.xx. 2009 verstorbenen Mutter, B. Die Mutter und ihr Ehemann setzten sich im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 1966 gegenseitig zu alleinigen, unbeschränkten Erben ein. Der länger lebende Ehegatte sollte – frei widerruflich – jeweils zu gleichen Teilen von den beiden Söhnen, dem Kläger und dessen Bruder, beerbt werden. Nach dem Tod des Vaters am xx.xx. 2002 wurde die Mutter Alleinerbin. Die im Rahmen eines im Jahre 1991 aufgesetzten Testaments geregelten Vermächtnisse zugunsten der Söhne waren zum Todeszeitpunkt des Vaters gegenstandlos geworden. Die Mutter vereinbarte daher am 25. Oktober 2004 mit ihren beiden Söhnen, dass diese zur Vermeidung der Geltendmachung von erbrechtlichen Ansprüchen jeweils einen Betrag i.H.v. 205.000 EUR zur Abgeltung aller erbrechtlichen Ansprüche auf den Tod des Vaters erhalten sollten. Es wurde festgelegt, dass die Beträge von dem Kläger und dessen Bruder bis zum Ableben der Mutter gestundet würden. Sie waren unabhängig von der Fälligkeit ab 1. Januar 2004 mit 4 % jährlich zu verzinsen, wobei die Zinsen jeweils jährlich nachträglich zu entrichten waren. Eine dingliche Sicherheit war nicht zu stellen. Die Brüder verzichteten in dieser Vereinbarung vorsorglich auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche auf den Tod des Vaters. Die Verzinsung wurde wie vereinbart durchgeführt; die Zinsen wurden vom Kläger und dessen Bruder als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuert. Nach dem Tode der Mutter machte der Kläger in der Erbschaftssteuererklärung eine Nachlassverbindlichkeit i.H.v. 205.000 EUR geltend. Diese Nachlassverbindlichkeit resultiere aus der notariell geschlossenen Vereinbarung vom 25. Oktober 2004.

Mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 16. Februar 2011 wurde für den Erwerb von Todes wegen Erbschaftsteuer in Höhe von insgesamt 164.862 EUR festgesetzt. Der Betrag von 205.000 EUR wurde nicht als Nachlassverbindlichkeit anerkannt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein und begehrte die Berücksichtigung des Darlehens als Nachlassverbindlichkeit. Der Darlehensvertrag sei mit banküblichen Zinsen abgeschlossen worden. Die Zinsen seien jährlich ausbezahlt und von dem Kläger als Einnahmen aus Kapitalvermögen versteuert worden. Eine wirtschaftliche Belastung sei folglich – im Gegensatz zu der zinslosen Stundung im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Juni 2007 II R 30/05 – zweifelsfrei gegeben.

Aufgrund Änderungen bei der Höhe der Grundbesitzwerte erging am 13. Juli 2012 ein nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderter Bescheid, in welchem die Erbschaftsteuer auf 189.600 EUR erhöht wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 2012 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG seien vom Erblasser herrührende Schulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Voraussetzung sei jedoch, dass die Sc...

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