Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf nachträgliche Höherfestsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen. Verpflichtungsklage. berechtigtes Interesse für Fortsetzungsfeststellungsklage. Zinsberechnung. Anwendbarkeit des § 171 Abs. 3 AO. Ablehnung des Antrags auf nachträgliche Anpassung der Einkommensteuer-Vorauszahlung für das Veranlagungsjahr 1989

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Verpflichtungsklage auf Erlass eines Bescheids über die Anpassung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen wird unzulässig, wenn sich dieses Begehren vor der Entscheidung durch das FG in der Hauptsache erledigt hat, weil das FA die Einkommensteuerschuld durch einen Einkommensteuerbescheid festgesetzt hat.

2. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch statthaft, wenn die Erledigung schon vor Klageerhebung erfolgt ist.

3. Für ein berechtigtes Interesse i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung des begehrten Bescheids über die Höhersetzung der Vorauszahlungen genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art.

4. Die Entscheidung des FA, den Antrag auf Heraufsetzung der Vorauszahlungen in Anwendung des § 37 Abs. 3 Satz 5 EStG abzulehnen, ist eine Rechtsentscheidung, die darauf gestützt wird, dass sie infolge des Ablaufs der 15-Monatsfrist nicht mehr getroffen werden kann und dass deshalb das FA insoweit an einer Ermessensentscheidung gehindert ist.

5. Die Ablehnung der Erhöhung der Vorauszahlungen ist nicht rechtswidrig, wenn die Erhöhung nicht rechtzeitig vor Fristablauf geschehen konnte (hier: Eingang des Antrags auf nachträgliche Höhersetzung der Vorauszahlungen wenige Stunden vor Ablauf des letzten Arbeitstages des 15-Monatszeitraums).

6. Die Entscheidung des Gesetzgebers, dass in die Zinsberechnung nur die festgesetzten Vorauszahlungen einfließen (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO), ist nicht verfassungswidrig.

7. Die Regelung des § 171 Abs. 3 AO ist auf die Festsetzungsfristen des § 169 AO bezogen. Sie gilt nicht für den 15-Monatszeitraum des § 37 Abs. 3 Satz 4 EStG.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 4; EStG § 37 Abs. 3; AO 1977 § 171 Abs. 3, § 233a Abs. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.07.2002; Aktenzeichen X R 65/96)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens

 

Tatbestand

Die Kläger –Kl– stellten mit Schreiben vom 27.3.1991, eingegangen am 28.3.1991 (Gründonnerstag), den Antrag, die Vorauszahlungen der Einkommensteuer für das Veranlagungsjahr 1989 nachträglich von 0 DM (Festsetzung am 21.6.1989) auf … DM zu erhöhen. Dieser Wert habe sich im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung 1989 ergeben.

Mit Schreiben vom 9.4.1991 lehnte das Finanzamt –FA– diesen Antrag ab. Es wies darauf hin, daß lt. § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG eine. Anpassung der Vorauszahlungen 1989 nach dem 31.3.1991 – also nach Ablauf von 15 Monaten – nicht mehr möglich sei. Der Antrag sei erst wenige Stunden vor Ablauf des letzten Arbeitstages (Dienstzeitende am Gründonnerstag: 12.00 Uhr) eingegangen, so daß Erlaß und Bekanntgabe eines Vorauszahlungsbescheids ausgeschlossen gewesen seien.

Gegen die Ablehnung legten die Kl am 3.5.1991 Einspruch ein. Sie machten geltend, der Ablauf der 15-Monatsfrist werde gem. § 171 Abs. 3 AO durch einen rechtzeitigen Antrag auf Vorauszahlungserhöhung gehemmt. Vor dem 1.4.1991 müsse noch keine Anpassung der Vorauszahlung erfolgt sein.

Durch ihren Antrag hätten sie jedenfalls alles unternommen, um eine Zinspflicht zu vermeiden. Da nach § 233 a Abs. 3 Satz 1 AO die festgesetzten Vorauszahlungen stets in das sog. Vorsoll einflössen, komme es nicht darauf an, wann die (rechtzeitig) beantragte Heraufsetzung der Vorauszahlungen erfolgt sei, zu welchem Zeitpunkt sie fälliggestellt worden sei und wann gezahlt worden sei.

Der Gesetzestext zu § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG habe sich dahingehend geändert, daß lediglich der Zeitraum von 12 Monaten auf 15 Monate ausgedehnt worden sei. Der Zeitpunkt der Festsetzung bzw. Anpassung der Vorauszahlung sei unerheblich (Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO, § 233 a, Tz. 36).

Der vorläufige Einkommensteuerbescheid für 1989 vom. 11.2.1992 führte zu einer Einkommensteuerfestsetzung von … DM und zu einer Nachzahlung von … DM. Die Zinsen wurden in Höhe von … DM festgesetzt (… DM verzinst vom 1.4.1991 – 16.3.1992).

Am 26.2.1992 legten die Kl Einspruch gegen die Zinsfestsetzung ein. Über diesen Einspruch ist bisher nicht entschieden.

Das FA wies den Einspruch vom 3.5.1991 durch Einspruchsentscheidung vom 2.4.1992 als unbegründet zurück.

Es sei zunächst zweifelhaft, ob in der Ablehnung einer Erhöhung der Vorauszahlungen eine Beschwer liege, zumal die gem. § 233 a AO festzusetzenden Zinsen lediglich einen von den Kl gezogenen Vorteil ausglichen. Letztlich könne dies aber dahingestellt bleiben, da der Einspruch jedenfalls unbegründet sei.

Der Wortlaut des § 37 Abs. 3 EStG besage eindeutig, daß das FA bis zum Stichtag anpassen könne, nicht aber, daß der Steuerpflichtige bis zum Stichtag einen...

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