Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliche Anwendung der BRAGO. Erstattungsfähigkeit der Geschäftsgebühr im Vorverfahren. Einschränkung der Erstattung der Verfahrengsgebühr im zweiten Rechtsgang. Erstattung der Avalprovision nur im Umfang der Anordnung der Sicherheitsleistung durch FA

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die BRAGO ist weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 1.7.2004 erteilt worden ist.

2. Kosten des dem gerichtlichen Verfahen vorgehenden Rechtsbehelfsverfahrens können nur insoweit in eine Kostenfestsetzung nach § 149 FGO einbezogen werden, als dieses Rechtsbehelfsverfahren in dem nachfolgenden finanzgerichtlichen Verfahren seine Fortsetzung gefunden hat.

3. Die im finanzgerichtlichen Verfahren zu erstattende Geschäftsgebühr umfasst nur das Einspruchsverfahren und nicht das diesem Verfahren vorausgehende Veranlagungsverfahren.

4. Die für die Mitwirkung im Einspruchsverfahren zu vergütende Geschäftsgebühr ist für die Tätigkeit im Verfahren der Erlangung der Aussetzung der Vollziehung um 1/10 zu kürzen.

5. Eine Besprechungsgebühr entsteht nicht, wenn eine Besprechung zwar vor dem Erlass des Steuerbescheids jedoch nicht im Einspruchsverfahren stattgefunden hat.

6. Wird die Rechtssache vom BFH an das FG zurückverwiesen, ist die bereits im ersten Rechtsgang vor dem FG entstandene Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr im zweiten Rechtsszug anzurechnen.

7. Der Ausschluss der Anrechnung nach der Zwei-Jahres-Frist des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG stellt nicht auf Jahre sondern auf Kalenderjahre ab.

8. Eine Verfahrens- oder Terminsgebühr kann im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nur dann verdient werden, wenn die Mitwirkung des Anwalts über die Führung des Geschäfts über die Erhebung und Begründung der Klage hinausgeht.

9. Eine Avalprovision ist im Erstattungsverfahren nur insoweit erstattungsfähig, als sie durch die vom FA angeordnete Sicherheiteleistung veranlasst ist.

 

Normenkette

FGO § 149 Abs. 1, § 139; RVG § 61 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 2 S. 2, § 21 Abs. 1, § 2 Abs. 2 S. 1; VVRVG Vorbemerkung 3 Abs. 6; VVRVG Nrn. 3100, 1800, 1002; BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Abs. 1, 3, §§ 11-12, 6, 31 Abs. 1 Nr. 1, § 24; AO §§ 233a, 226, 238

 

Tenor

Unter Änderung des Beschlusses der Urkundsbeamtin des Senats vom 14. Oktober 2008 werden die Kosten des beim Finanzgericht zunächst unter 2 K 308/99 und später unter 11 K 629/04 und beim Bundesfinanzhof unter I B 121/02 und I R 67/03 anhängig gewesenen Verfahrens auf insgesamt 15.932,61 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) seit dem 13. September 2007 festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Erstattungsfähigkeit von Kosten, deren Berücksichtigung die Urkundsbeamtin im Rahmen ihres Beschlusses über die Kostenfestsetzung abgelehnt hat.

Die Erinnerungsführer sind für die Jahre 1996 und 1997 vom Erinnerungsgegner (dem Finanzamt – FA –) zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt worden. Dabei blieb streitig, ob die Einkünfte des Erinnerungsführers aus einer Tätigkeit für eine schweizerische AG nach Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 der deutschen Besteuerung unterliegen. Bereits im Rahmen des Veranlagungsverfahrens hatten die Rechtsanwälte RAe die Vertretung der Erinnerungsführer übernommen (Schreiben vom 16. Dezember 1997; ESt-Akte Bd. III Fach 1996 Bl. 20). In dieser Eigenschaft hat RA C u. a. am 21. September 1998 beim FA vorgesprochen (vgl. den Aktenvermerk vom gleichen Tag; abgelegt im nicht paginierten Teil des nur bis Bl. 26 paginierten Fachs 1996 der ESt-Akte Bd. III), um mit den dort zuständigen Bediensteten die Frage zu erörtern und zu klären, ob der Erinnerungsführer an mehr als 60 Arbeitstagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz nach Deutschland zurückgekehrt ist.

Da das FA den diesbezüglichen Vortrag der Erinnerungsführer als unzureichend ansah, setzte es deren ESt für die Jahre 1996 und 1997 mit Bescheiden jeweils vom 1. Februar 1999 unter Einbeziehung der Arbeitseinkünfte des Erinnerungsführers auf 41.856 DM (für 1996) bzw. 38.494 DM (für 1997) fest. Im Rahmen des aufgrund eines Einspruchs gegen diese Bescheide geführten außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens hat das FA die beiden – mit Bescheiden jeweils vom 11. März 1999 auf 39.672 DM (1996) bzw. 33.320 (1997) herabgesetzten – Steuerfestsetzungen mit Verfügung vom 12. März 1999 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000 DM von der Vollziehung ausgesetzt; die Erinnerungsführer haben daraufhin am 12. April 1999 eine Bürgschaft der Sparkasse … über den Höchstbetrag von 100.000 DM beim FA eingereicht. Nach einer nochmaligen Herabsetzung der ESt 1996 (auf nunmehr noch 36.422 DM) wies das FA den Ei...

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