aa) Wohnkosten

Mietaufwendungen eines Unterhaltspflichtigen für eine selbstgenutzte Wohnung gehören grundsätzlich zum allgemeinen Lebensbedarf. In dem gegenüber Minderjährigen geltenden notwendigen Selbstbehalt i.H.v. 1.080 EUR bei Erwerbstätigen und 880 EUR bei Nichterwerbstätigen[38] sind Wohnkosten mit monatlich 380 EUR enthalten. Wenn die zu zahlende Miete diese Kosten erheblich überschreitet und diese Überschreitung nicht vermeidbar ist, kann der notwendige Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen angehoben werden. Zu prüfen ist aber jeweils, ob der Pflichtige nicht eine billigere Wohnung anmieten kann. Anhaltspunkte zur Beurteilung der Angemessenheit von Wohnkosten können die Sätze der örtlich zuständigen Sozialleistungsträger sein.[39]

Falls der Unterhaltspflichtige keine Wohnkosten oder geringere Wohnkosten als 380 EUR aufwenden muss, rechtfertigt dies nach der Rechtsprechung des BGH auch bei minderjährigen Kindern grundsätzlich nicht eine Reduzierung des Selbstbehalts, weil der Unterhaltspflichtige selbst entscheiden könne, wie er seine Mittel verbrauche.[40] Dieser Rechtsprechung ist nicht zu folgen, denn zur Sicherstellung des Mindestunterhalts minderjähriger Kinder hat ein Unterhaltspflichtiger im Rahmen seiner gesteigerten Unterhaltspflicht gemäß § 1603 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB anders als beim sonstigen Verwandtenunterhalt und auch beim Ehegattenunterhalt alle Mittel einzusetzen, um diesen Unterhalt sicherstellen zu können. Hierzu gehören nach diesseits vertretener Auffassung auch Ersparnisse gegenüber den im Selbstbehalt angesetzten Kosten.[41]

[38] Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2016, A Nr. 5.
[39] Gerhardt, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 1 Rn 469.
[41] Ebenso Gerhardt, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 1 Rn 469.

bb) Ersparnisse bei einem Aufenthalt in einer Haftanstalt

Befindet sich ein Unterhaltspflichtiger in Haft, ist sein Selbstbehalt nicht mit den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle zu bemessen. Dem Strafgefangenen werden in der Haftanstalt Wohnen und Verpflegung, Bekleidung (vgl. §§ 15 ff. JVollzGB BW III; §§ 17 ff. StVollzG) und Gesundheitsfürsorge (vgl. §§ 33 f. JVollzGB BW III; §§ 56 ff. StVollzG) kostenlos zur Verfügung gestellt, so dass weite Bereiche seines Selbstbehalts bereits durch Naturalleistungen gesichert sind. Die für eine Teilhabe am sozialen Leben in Freiheit erforderlichen und im Selbstbehalt ebenso wie in den Sozialhilfesätzen enthaltenen Beträge kann er im Vollzug ebenfalls nicht aufbringen.

Nach der Rechtsprechung des BGH[42] muss auch einem Strafgefangenen ein Bargeldbetrag verbleiben, um ihm in einem Mindestmaß die Befriedigung solcher Bedürfnisse zu ermöglichen, die über die auf Existenzsicherung ausgerichtete Versorgung durch die Justizvollzugsanstalten hinausgehen. Für die Bemessung dieses Betrags stellt der BGH auf den Taschengeldsatz ab, der einem Strafgefangenen gemäß § 53 Abs. 1 JVollzGB BW III (vgl. auch § 46 StVollzG) zusteht, wenn er ohne Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhält. Für die Bemessung des dem Strafgefangenen gegenüber minderjährigen und privilegiert volljährigen Kindern zu belassenden Selbstbehalts bietet sich nach Auffassung des BGH ebenfalls der Rückgriff auf den ihm zustehenden Taschengeldsatz an. Der BGH geht davon aus, dass bei einem im Vollzug arbeitenden Strafgefangenen der so bestimmte Selbstbehalt durch Belassen des Hausgelds gedeckt ist.[43]

[42] BGH FamRZ 2015, 143.
[43] BGH FamRZ 2015, 143.

cc) Vorteile des Zusammenlebens

Wie oben mehrfach dargelegt, ist der Unterhaltspflichtige nach § 1603 Abs. 2 BGB gehalten, alle verfügbaren Mittel zu seinem und der minderjährigen Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Der ihm zu belassende notwendige Selbstbehalt dient dazu, ihm einen Anteil seines Einkommens zu belassen, der den eigenen sozialhilferechtlichen Bedarf sichert und auf der Grundlage des jeweiligen Unterhaltsanspruchs und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles angemessen darüber hinausgeht. Kann der Unterhaltspflichtige nicht den vollen Unterhaltsbedarf des Berechtigten erfüllen, ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, ihm mehr zu belassen, als er in seiner konkreten Situation für den notwendigen eigenen Bedarf benötigt.[44]

Ausgehend von diesem Grundsatz kann nach der Rechtsprechung des BGH[45] eine Herabsetzung des notwendigen Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen bis auf den notwendigen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen in Betracht kommen, wenn der Unterhaltspflichtige in einer neuen Lebensgemeinschaft wohnt und dadurch Kosten für die Wohnung oder die allgemeine Lebensführung erspart. In einem solchen Fall muss er sich auch sozialhilferechtlich auf einen im Rahmen seiner Bedarfsgemeinschaft geringeren Bedarf verweisen lassen.

Zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der unterhaltspflichtige Elternteil (neu) verheiratet ist und die Fälle, in denen er mit einem neuen Partner unverheiratet zusammenlebt. Ist der Unterhaltspflichtige verheirat...

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