Von Interesse ist die Entscheidung insbesondere, soweit sie sich mit der Verpflichtung eines zum Unterhalt für seine Eltern herangezogenen, aus seinem Einkommen nicht leistungsfähigen Kindes befasst, zur Erfüllung dieser Verpflichtung den Stamm seines Vermögens einzusetzen. Unbestritten ist grundsätzlich von einer Einsatzpflicht auszugehen. Sie findet nach § 1603 Abs. 1 BGB ihre Grenze dort, wo der Einsatz des Vermögensstammes für den Unterhalt des Berechtigten unter Berücksichtigung der sonstigen Verpflichtungen des Unterhaltspflichtigen dessen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde, allgemein ausgedrückt, wo der Einsatz zu einem für den Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil führen würde.[1] Zum angemessenen Unterhalt des Unterhaltsschuldners zählt nach allgemeiner Ansicht auch seine angemessene Altersvorsorge.[2]

Kernpunkt der Entscheidung ist die Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Betrag zu ermitteln ist, der dem unterhaltspflichtigen Kind für seine Altersvorsorge belassen werden muss. Das OLG folgt dabei zunächst der Grundsatzentscheidung des BGH vom 30.8.2006,[3] derzufolge das Kind sein Vermögen vor dem Zugriff der Eltern schützen kann, soweit das Vermögen – einkommensmindernd anerkannt – während des Berufslebens des Kindes bei einer Rendite von 4 % durch Aufwendungen bis zur Höhe von 5 % des Bruttoeinkommens für dessen zusätzliche Altersvorsorge angesammelt worden ist. Ebenso wie der BGH legt das OLG für die Berechnung nicht das in der Vergangenheit jeweils erzielte – erfahrungsgemäß zumeist niedrigere –, sondern das aktuelle Bruttoeinkommen des Kindes zugrunde. Nur diese für das unterhaltspflichtige Kind günstige Handhabung ist gerade bei einem langen Berufsleben des Kindes praktikabel. Verdienstbescheinigungen pflegen nicht über Jahrzehnte aufgehoben zu werden; kaum ein Unterhaltspflichtiger könnte nachweisen, dass sich seine Altersvorsorgeaufwendungen, so er diese überhaupt belegen kann, jeweils im Rahmen dieses Höchstbetrags gehalten haben.

Der Entscheidung des BGH lässt sich nicht entnehmen, ob er ganz allgemein bei einem 50 Jahre alten Unterhaltspflichtigen von einer seit 35 Jahren andauernden Berufstätigkeit und damit von deren Beginn im Alter von 15 Jahren ausgeht,[4] oder ob der Unterhaltspflichtige in dem von ihm entschiedenen Fall tatsächlich in diesem Alter in das Berufsleben eingetreten und damit seit 35 Jahren berufstätig war. Das OLG hat sich für eine konkrete Berechnung entschieden. Demzufolge legt es bei dem im Februar 1956 geborenen und seit September 1971 berufstätigen elternunterhaltspflichtigen Kind eine Berufstätigkeit von 40 Jahren zugrunde und errechnet dessen Altersvorsorgevermögen auf dieser Basis. Auf Elternunterhalt wird das Kind für den Unterhaltszeitraum von Juli 2008 bis Februar 2011 in Anspruch genommen. Abgesehen davon, dass sich damit selbst bis zum Jahr 2011 nur eine Berufsdauer von 39 Jahren ergibt, erscheint problematisch, dass das OLG das Schonvermögen nur für dieses Jahr ermittelt und daraus die Leistungsunfähigkeit des Kindes zur Zahlung von Elternunterhalt herleitet. Da Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zeitgleich bestehen müssen,[5] wäre eine Berechnung für jedes Jahr des Unterhaltszeitraums erforderlich gewesen. Dann hätten sich deutlich niedrigere Freibeträge als die vom OLG errechneten 104.767,45 EUR ergeben, für das Jahr 2008 beispielsweise nur 87.944,15 EUR.[6]

Der BGH geht in der zitierten Entscheidung zum Vermögenseinsatz für den Elternunterhalt[7] davon aus, dass sich mit den Aufwendungen für die Altersversorgung eine Rendite von 4 % erwirtschaften lässt. Mit der Begründung, die Rendite sei inzwischen rückläufig, rechnet das OLG nur mit 3 %. Folgt man dieser Auffassung, ergibt sich für das unterhaltspflichtige Kind daraus ein deutlich geringeres Schonvermögen: In dem vom OLG entschiedenen Fall führt das Jahresbruttoeinkommen des Kindes von 27.497,92 EUR und 39 Berufsjahren bei einer Rendite von 4 % nach dem Berechnungsschema des BGH zu einem Schonvermögen von 126.223,38 EUR, bei einer Rendite von 3 % sind es nur 100.394,84 EUR. Der Berechnung des OLG kann jedenfalls für diejenigen Fälle nicht zugestimmt werden, in denen das unterhaltspflichtige Kind bereits seit Jahrzehnten im Berufsleben steht. Wenn mit einer Geldanlage tatsächlich, der Auffassung des BGH folgend, noch im Jahr 2006 langjährig eine Rendite von 4 % zu erzielen war, was angesichts der auf die Erträge entfallenden Steuern recht hoch erscheint, führt der erst in den letzten wenigen Jahren eingetretene Renditerückgang nur zu einer geringfügigen Absenkung der langjährigen Durchschnittsrendite. Anders kann es sich darstellen, wenn das seinen Eltern unterhaltspflichtige Kind Aufwendungen für die eigene Altersvorsorge erst seit Kurzem tätigt. In diesem Fall wirkt sich der Zinsrückgang wesentlich stärker aus mit der Folge, dass nur ein deutlich geringerer Teil des Kindesvermögens als Altersvorsorgevermö...

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