Der BGH führt aus, dass auch für das vereinfachte Verfahren die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen zu beachten sind, dass etwa die Verfahrensfähigkeit eines Beteiligten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vorliegen muss. Für die besonderen Voraussetzungen der Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens knüpft jedoch § 249 FamFG an die materielle Rechtslage an: Das Kind muss minderjährig sein, einen Barunterhaltsanspruch haben und nicht in einem Haushalt mit dem in Anspruch genommenen Elternteil leben. Dies ergibt sich bereits aus den Bestimmungen der §§ 1612a Abs. 1 S. 1, 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Das vereinfachte Verfahren wird nicht unzulässig, wenn das Kind volljährig wird.[1] Das vereinfachte Verfahren kann auch von einem Dritten nach Übergang des Unterhaltsanspruchs, etwa von der Unterhaltsvorschusskasse, betrieben werden.[2] Durch einen Obhutswechsel wird die Verfahrensführungsbefugnis der Vorschusskasse für die Zeit bis zu diesem nicht berührt, außer wenn der Elternteil, bei dem das Kind bislang gelebt hat, es bei der Ausübung der elterliche Sorge nicht mehr vertreten kann (vgl. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Vorschusskasse kann daher den Unterhalt bis zu dem Zeitpunkt im vereinfachten Verfahren geltend machen, in welchem der Vater wieder mit dem Kind und der Mutter in einem Haushalt lebt.

Die gesamten Verfahrenskosten hat das OLG dem Antragsgegner auferlegt, weil er mit seinem Rechtsmittel nur aufgrund seines Umzugs zu Ehefrau und Kind nach Erlass der Erstentscheidung Erfolg gehabt habe. Der BGH beanstandet dies. Der Tatrichter kann zwar einem Einzelumstand ein solches Gewicht beimessen, dass demgegenüber andere Erwägungen bei der Kostenentscheidung zurückbleiben. Im konkreten Fall sind jedoch keine Gründe ersichtlich, weshalb das in § 243 S. 2 Nr. 1 FamFG genannte Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen gänzlich außer Betracht zu bleiben hätte. Der Vorschusskasse wäre es unbenommen geblieben, ihren Antrag für die Zeit ab dem Obhutswechsel zurückzunehmen.

Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Rechtsbehelf bestimmen sich nach den Verfahrensvorschriften. Diese brauchen jedoch nicht notwendig einen verfahrensrechtlichen Inhalt zu haben. Sie können auf das materielle Recht verweisen, wie etwa die Vorschrift des § 239 Abs. 2 FamFG, in welcher bestimmt ist, dass "die weiteren Voraussetzungen" für einen Abänderungsantrag bei nichtrechtskraftfähigen Unterhaltstiteln sich nach dem materiellen Recht richten. Dieser ist deswegen, im Gegensatz zu einem Abänderungsantrag gegen eine rechtskraftfähige Entscheidung nach § 238 FamFG, auch zulässig, wenn vorgebracht wird, dass bereits bei Abschluss des Unterhaltsvergleichs wesentliche Vorstellungen über die Vertragsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 2 BGB falsch waren. Noch einen Schritt weiter geht die Verfahrensvorschrift des § 249 FamFG, indem sie für die Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens unmittelbar an die materiellen Voraussetzungen für einen Barunterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes anknüpft, das nicht in dem Haushalt des Antragsgegners lebt.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung betont der BGH, dass aufgrund des in der Bestimmung des § 243 FamFG eingeräumten weitergehenden Ermessens der Tatrichter zwar grundsätzlich frei ist, welche Gewichtung er den einzelnen Kriterien verleihen will. Er bleibt jedoch verpflichtet, eine umfassende Ermessensprüfung anhand aller kostenrechtlich erheblichen Umstände durchzuführen. Das Ermessen wird durch die bloße Übernahme fehlerhaft ausgeübt, wenn das Verhältnis des Obsiegens und des Unterliegens nicht gewürdigt wird, hier konkret, dass der Antragsteller dem Wegfall der Voraussetzung Leben des Kindes in einem vom Antragsgegners getrennten Haushalt durch teilweise Rücknahme oder Erklärung der Erledigung seines Antrags nicht Rechnung getragen hat.

Dr. Hans-Ulrich Graba, Vors. Richter am OLG a.D., Neusäß/Augsburg

FF 6/2017, S. 257 - 261

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