1. Minderjährigenunterhalt

a) Wohnwert

Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Elternteils gegenüber dem minderjährigen Kind ist als Wohnwert grundsätzlich die bei einer Fremdvermietung erzielbare objektive Marktmiete anzusetzen.[2] Es bestehen jedoch keine Bedenken, den Gebrauchswert in Höhe des Mietzinses für eine den ehelichen Lebensverhältnissen angemessene kleinere Wohnung zu bestimmen, wenn das Familienheim verkauft werden soll, um die Hausschulden abzulösen und die Veräußerung durch eine Vermietung nicht unerheblich erschwert würde. Zum Abzug der Hausschulden muss der Verpflichtete vortragen, dass die wegen des beabsichtigten Verkaufs der Immobilie bankenübliche Tilgungsfreistellung abgelehnt wurde.[3]

b) Nebentätigkeit neben vollschichtiger Erwerbstätigkeit

Im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht ist vom Unterhaltsschuldner im Hinblick auf den nicht gesicherten Mindestunterhalt seines Kindes zu verlangen, dass er neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit eine ihm mögliche und zumutbare Nebentätigkeit ausübt. Auch die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit fällt in seine Darlegungs- und Beweislast.[4]

c) Verbraucherinsolvenz

Die grundsätzliche Obliegenheit des einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtigen Elternteils, Verbraucherinsolvenz zu beantragen,[5] ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn es nur um die Bewältigung eines bis zur Veräußerung des Hauses bestehenden finanziellen Engpasses geht.[6]

d) Schuldendienst

Wenn der Mindestunterhalt des minderjährigen Kindes nicht gesichert ist, können Darlehensraten grundsätzlich nicht in voller Höhe berücksichtigt werden.[7]

[7] BGH, Beschl. v. 19.3.2014 – XII ZB 367/12, FF 2014, 217 (Bericht Ey) = FamRZ 2014, 923 (m. Anm. Götz).

e) BVerfG: Leistungsfähigkeit aufgrund fiktiven Einkommens

Das BVerfG[8] hat einer Beschwerde eines gegenüber zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtigen Vaters gegen die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe stattgegeben. Das Gericht hätte vor dem Ansatz eines Stundenlohns von 8,50 EUR Feststellungen zu den durch eine Aushilfstätigkeit erzielbaren Einkünften und den aktuellen Mindestlöhnen der verschiedenen Branchen unter Berücksichtigung der Erwerbsbiographie und persönlichen Umständen des Unterhaltsverpflichteten treffen müssen.

2. Nachweis der fehlenden realen Beschäftigungschance

An die Beweislast für die mangelnde Leistungsfähigkeit, die beim Unterhaltspflichtigen auch für das Fehlen einer realen Beschäftigungschance liegt, sind bei einer nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht strenge Maßstäbe anzulegen. Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Lebensalter wird auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit kein Erfahrungssatz gebildet werden können, dass sie nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien. Das gilt auch für ungelernte Kräfte oder für einen Ausländer mit eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen, um deren Verbesserung er sich zu kümmern hat. Die bisherige Tätigkeit in einem Zeitarbeitsverhältnis oder überwiegend im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass er keine besser bezahlte Stelle finden kann. Es genügt nicht, dass der Unterhaltspflichtige bemüht ist, sich fortzubilden und eine Ausbildung zu absolvieren, um seinem Kind in Zukunft einmal Unterhalt zahlen zu können. Für den Nachweis hinreichender Erwerbsbemühungen reicht es nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer um die ihm vom zuständigen Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote bemüht hat. Bei für den Mindestunterhalt unzureichendem tatsächlichen oder fiktiv zurechenbaren Einkommen ist zu prüfen, ob eine Nebenbeschäftigung zumutbar ist.[9]

[9] BGH, Beschl. v. 22.1.2014 – XII ZB 185/12, FF 2014, 253 (m. Anm. Niepmann) = FamRZ 2014, 637 (m. Anm. Wolf).

3. Elternunterhalt

a) Wohnvorteil

Der Wohnvorteil eines Unterhaltspflichtigen ist auch bei Inanspruchnahme auf Elternunterhalt dem Einkommen hinzuzurechnen und nicht lediglich im Rahmen der vom Selbstbehalt erfassten Wohnkosten zu berücksichtigen.[10]

[10] BGH, Beschl. v. 5.2.2014 – XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538 (m. Anm. Seiler, S. 636). Die Entscheidung ist für die Amtliche Sammlung bestimmt.

b) Familienbedarf als Grundlage

Die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt ist auch dann auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs zu ermitteln, wenn der Unterhaltspflichtige über geringere Einkünfte als sein Ehegatte verfügt.[11] Es gilt die gleiche Berechnungsmethode wie in den Fällen, in denen der Verpflichtete kein Einkommen oder ein höheres Einkommen als sein Ehegatte hat.[12] Dem unterhaltspflichtigen Kind verbleibt der Anteil, den es zum Familienbedarf beizutragen hat; nur sein darüber hinausgehendes Einkommen ist für den Elternunterhalt einzusetzen:

 
Einkommen Unterhaltsschuldner 1693,70 Euro
Einkommen Ehegatte 4009,25 Euro

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