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Über die sogenannte "Mütterrente" wird derzeit viel diskutiert. In diesem Beitrag soll es fernab aller wirtschaftlichen oder politischen Überlegungen um die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf den Versorgungsausgleich – insbesondere auf bereits rechtskräftige Entscheidungen – gehen.

I. Kindererziehungszeiten

Nach § 56 Abs. 1, Abs. 5 SGB VI werden einem Elternteil, der ein oder mehrere Kinder erzogen hat – es muss nicht zwingend die Mutter sein, auch wenn meist von "Mütter"rente die Rede ist – Kindererziehungszeiten angerechnet für die ersten 36 Monate nach der Geburt. Gemäß § 249 Abs. 1 SGB VI (in der bis 30.6.2014 geltenden Fassung) endet aber für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder die Kindererziehungszeit bereits zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Alle Elternteile, die vor 1992 geborene Kinder haben, erhielten also nur Kindererziehungszeiten für ein Jahr gutgeschrieben statt für drei Jahre. Mit dem "Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung" soll zwar keine Gleichstellung, aber eine Annäherung für diese Elternteile herbeigeführt werden:

In § 249 Abs. 1 SGB VI n.F.[1] wird die anrechenbare Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind auf 24 Monate erhöht. Nach § 307d SGB VI n.F.[2] soll sich – soweit am 30.6.2014 ein Anspruch auf Rente bestand – der Zuschlag für die Kindererziehung für ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind um einen persönlichen Entgeltpunkt erhöhen. Voraussetzung ist, dass in der Rente bereits eine Kindererziehungszeit für den 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a SGB VI besteht (§ 307d Abs. 1 SGB VI n.F.). Diese Regelungen sollen zum 1.7.2014 in Kraft treten.

Gemäß § 70 Abs. 2 SGB VI werden für jeden Kalendermonat der Kindererziehungszeit 0,0833 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Kindererziehungszeiten werden grundsätzlich auch zusätzlich zu den Entgeltpunkten aus anderen Beitragszeiten angerechnet, allerdings erfolgt eine Begrenzung auf den Höchstwert, der sich ergibt, wenn Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze gezahlt worden sind. Elternteile, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, erhalten also für ein Jahr Kindererziehung einen Entgeltpunkt (0,9996) mehr an Rentenanwartschaften. Ein Entgeltpunkt entspricht aktuell 28,14 EUR (West) bzw. 25,74 EUR (Ost) monatlicher Rente.[3]

Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten soll demjenigen Elternteil zustehen, dem der letzte Monat an Kindererziehungszeit zugeordnet wurde – dies aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität. Es wird eine pauschale Anrechnung vorgenommen, die insbesondere an bereits im Versicherungsverlauf enthaltene Daten anknüpft.[4] Ist das Kind vor Beginn des 12. Kalendermonats nach Ablauf des Geburtsmonats verstorben – alle weiteren Veränderungen während des zweiten Lebensjahres bleiben außer Betracht –, besteht kein Anspruch auf einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten.[5] Von der Neuregelung profitieren auch Hinterbliebene, welche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung bereits eine Hinterbliebenenrente beziehen, in der Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder berücksichtigt worden war.[6]

[1] Vgl. BT-Drucks 25/14, S. 3.
[2] Vgl. BT-Drucks 25/14, S. 5.
[3] Vgl. FamRZ 2014, 181.
[4] BT-Drucks 25/14, S. 21.
[5] BT-Drucks 25/14, S. 21.
[6] BT-Drucks 25/14, S. 22.

II. Laufende Verfahren

Vergleichsweise unproblematisch sind die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf den Versorgungsausgleich in laufenden Verfahren.

Gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG dauert die Ehezeit vom ersten des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde, bis zum letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags ist folglich die Ehezeit immer bereits beendet. Wenn sich nach dem Ende der Ehezeit rechtliche oder tatsächliche Veränderungen ergeben, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, sind diese gemäß § 5 Abs. 2 VersAusglG im laufenden Verfahren zu berücksichtigen. Soweit also die Ehezeit am 30.6.2014 oder vorher endete, die Eheleute mindestens ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind und spätestens im Laufe des zweiten Jahres nach dessen Geburt geheiratet haben – sonst fällt die Änderung nicht in die Ehezeit[7] –, führt die Gesetzesänderung zu einer rückwirkenden Veränderung der Höhe der während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften. Für den betroffenen Ehegatten muss ggfs. eine neue Rentenauskunft bei der gesetzlichen Rentenversicherung eingeholt werden. Zur Vermeidung eines etwaigen Abänderungs- oder Beschwerdeverfahrens dürfte sinnvoll sein, auf ein Aussetzen des Verfahrens bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung hinzuwirken.

Liegt die Entscheidung bereits vor, ist aber noch nicht rechtskräftig geworden, sollte Beschwerde gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich eingelegt werden. Da gemäß § 228 FamFG in Versorgungsausgleichssachen § 61 FamFG nur für die Anfechtung einer Kostenentscheidung gilt, muss der Beschwerdewert von 600,00 EUR nicht überschritten werden. Rechtliche Veränderungen,...

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