1. Ausgangslage

Die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 11.12.2014 befasst sich schwerpunktmäßig mit der Frage, in welchem Umfang ein Unterhaltspflichtiger einen Splittingvorteil aus einer neuen Ehe für den Unterhalt eines minderjährigen Kindes einsetzen muss.

2. Inhalt der Entscheidung

Der Antragsteller, der in Vollzeit als Möbelmonteur/Umzugshilfe bei einer Möbelspedition arbeitet, ist Vater des Antragsgegners, des im Jahr 2012 geborenen Kindes B, das im Haushalt der Kindesmutter C lebt.

Durch Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts wurde der Antragsteller zur Zahlung des Mindestunterhalts ab dem Tag der Geburt von B abzüglich des hälftigen Kindergeldes, im Jahr 2012 225 EUR monatlich, verpflichtet. Der Antragsteller ist verheiratet und hat mit seiner neuen Ehefrau D ein weiteres Kind E, geboren im Jahr 2013.

Sein monatliches Bruttogehalt beträgt 1.750 EUR. Sein Gehalt wird nach Steuerklasse 4 mit 1,5 Kinderfreibeträgen versteuert. Seine Bruttoeinkünfte betrugen für das Jahr 2013 nach dem Steuerbescheid 22.373 EUR. Der Lohnsteuerabzug betrug im Jahr 2013 bei der gewählten Steuerklasse 4 für die laufenden Bezüge 158,08 EUR und anlässlich des Weihnachtsgeldbezuges 67 EUR (jeweils ohne Solidaritätszuschlag).

Die Ehefrau des Antragstellers bezog im Jahr 2013 Bruttoeinkünfte in Höhe von 5.614 EUR. Sie erhielt bis Juni 2014 Elterngeld und bis einschließlich August 2014 ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit in unterschiedlicher Höhe. Der Gesamtbetrag der steuerlich relevanten Einkünfte im Jahr 2014 belief sich auf 6.968,15 EUR. Seit September 2014 absolviert die Ehefrau des Antragstellers eine Ausbildung und erhält nicht steuerpflichtige BAföG-Leistungen.

Das Amtsgericht hat den Versäumnisbeschluss durch Endbeschluss unter Berücksichtigung eines Splittingvorteils für den Antragsteller in Höhe von 152,75 EUR monatlich dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller ab dem 1. August 2013 für sein Kind einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 187 EUR (statt 225 EUR) zahlen muss. Den weitergehenden Antrag des Antragstellers auf Reduzierung des Unterhalts wegen Überschreitung der Unkostenpauschale von 5 % mit den Fahrtkosten hat das Amtsgericht abgelehnt. Mit seiner Beschwerde hat der Antragsteller geltend gemacht, er sei lediglich verpflichtet, ab August 2013 Kindesunterhalt in Höhe von 85 EUR zu zahlen. Sein Selbstbehalt sei aufgrund der im Bodenseegebiet unvermeidlich hohen Wohnkosten zu erhöhen. Weiter seien die Pfändungen der Kindesmutter zu berücksichtigen. Der Antragsgegner hat mit seiner Anschlussbeschwerde das Ziel verfolgt, dass der Antragsteller an ihn ab August 2013 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 213 EUR zu zahlen hat.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat den Unterhaltstitel dahin abgeändert, dass der Antragsteller für die Zeit von August bis einschließlich Dezember 2013 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 191,27 EUR, für die Zeit von Januar bis einschließlich August 2014 in Höhe von 184,33 EUR, für die Zeit von September 2014 bis einschließlich Dezember 2014 in Höhe von 213 EUR sowie ab Januar 2015 in Höhe von 186,87 EUR zu zahlen hat.

3. Einordnung der Entscheidung

Der Schwerpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 11.12.2014 liegt bei der Frage, in welchem Umfang ein (wieder) verheirateter Unterhaltspflichtiger bei nicht zu tolerierender Steuerklassenwahl den notfalls fiktiv zu ermittelnden Splittingvorteil aus der neuen Ehe für den Kindesunterhalt einsetzen muss.

4. Bedeutung der Entscheidung des OLG Nürnberg für die Praxis

Der BGH hat in letzter Zeit[1] entschieden, dass bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts für eine geschiedene Ehefrau im Rahmen der Leistungsfähigkeit gegenüber einem geschiedenen und einem gleichrangigen neuen Ehegatten bei der Billigkeitsabwägung eine Dreiteilung des vorhandenen Einkommens zu erfolgen hat. Dabei ist grundsätzlich das gesamte Einkommen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Einzubeziehen sind auch der steuerliche Splittingvorteil und der volle Familienzuschlag der Stufe 1, weil die Dreiteilung regelmäßig schon zu einer Kürzung der Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten führt und es deshalb nicht mehr erforderlich ist, bestimmte Einkommensbestandteile für die neue Ehe zu reservieren.[2]

Erst recht gilt dies für den Kindesunterhalt. Das Kind nimmt an der Lebensstellung der Eltern teil. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Kind im Haushalt des Unterhaltspflichtigen oder im Haushalt des geschiedenen Ehepartners lebt. Das gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung der minderjährigen Kinder aus neuer und geschiedener Ehe. Danach ist der aus einer neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen resultierende Splittingvorteil sowohl bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder gemäߧ 1610 Abs. 1 BGB als auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen im Sinne von § 1603 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen.[3]

Gleiches gilt, soweit der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes lediglich hypothetisch errechnet werden muss, w...

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