Klaus Schnitzler

Was sind die Eigenschaften, die einen guten Familienrichter[1] auszeichnen?

Da sind zunächst einmal die wichtigsten Eigenschaften für jeden Juristen, die im Studium und im Referendariat trainiert werden:

"Gute Juristinnen und Juristen zeichnen sich durch eine bestechende Klarheit in der Analyse, durch Kreativität, Fantasie und Präzision aus. Sie können meisterhaft systematisieren, vortrefflich strukturieren und vor allem: Sie können Komplexität reduzieren und auf den wesentlichen Punkt kommen. Die Kunst der Juristen ist nämlich die Kunst der Unterscheidung. Es geht darum, Wesentliches vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Gute Juristinnen und Juristen können Rechtsfragen und Probleme gekonnt fokussieren und Präzise einordnen. Sie sind immer auch Menschen, die methodisch und strukturiert denken. Zudem müssen Sie sich in guten Entscheidungen bewähren und sind daher auf tragfähige Lösungen ausgerichtet, mögen die Lebenssachverhalte und Fragestellungen auch noch so vielfältig und kompliziert sein."[2]

Unerheblich ist, ob es sich um eine Familienrichterin oder einen Familienrichter handelt, wobei unstreitig ist, dass die Zahl der Familienrichterinnen in 1. Instanz und auch an den Oberlandesgerichten tendenziell zunimmt.

Diese Eigenschaften alleine reichen für die Praxis natürlich nicht aus, insbesondere bei den Familienrichtern. Hier muss noch Lebenserfahrung hinzukommen, die eine Tätigkeit als Proberichter schon per se ausschließt, wie dies in den ersten Jahren seit Einführung der Familiengerichte im Jahr 1977 bis 1992 (kurz nach der Wiedervereinigung) selbstverständlich war.

Als weitere Eigenschaft muss ein Familienrichter über die unbedingte Bereitschaft verfügen, sich kontinuierlich fortzubilden und sich auf neue Rechtsfragen einzulassen, und bereit sein, sich bis zur Pensionierung immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen.

Erfreulich ist, dass der Koalitionsvertrag die Fortbildung für Richter, insbesondere Familienrichter, befürwortet und verbindliche Regelungen in Abstimmung mit den Ländern anstrebt (Rn-Nr. 6274).

Dass selbst Erfahrung nicht immer vor Fehleinschätzungen schützt, zeigt der Missbrauchsfall am Familiengericht Freiburg im OLG Bezirk Karlsruhe. Der Fall zeigt, dass eine gewisse Blauäugigkeit, Lebensfremdheit, Arroganz und Überlegungen nach dem Motto "Es wird schon gut gehen" nicht ausreichen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden und insbesondere Kinder vor Schaden zu bewahren.

Es stellt sich dann die weitere Frage: Wollen wir überhaupt den idealen Richter?

Denn ein Richter, der Fehler macht, ist auch menschlich und kann beim nächsten Mal unter Umständen auch wieder auf Intervention der Anwaltschaft besser reagieren, wenn er flexibel und lernfähig ist. Vielleicht ist am wichtigsten, dass er zuhört und sich in der mündlichen Verhandlung offen für alle Argumente und Erwägungen zeigt.

Wünschen wir uns, dass es auf allen Seiten gelingt, Fehler zu vermeiden und Mängel zu beheben. Vielleicht gelingt es uns Anwälten und Richtern gemeinsam, bessere Entscheidungen auch beim OLG, beim BGH und Bundesverfassungsgericht zu erwirken.

Denn mit der Perfektion ist es wie mit der Gerechtigkeit: Sie ist anzustreben, aber wahrscheinlich nicht zu erreichen.

Autor: Klaus Schnitzler

Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen

FF 4/2018, S. 133

[1] Aus Vereinfachungsgründen wird die männliche Form als neutrale Bezeichnung gewählt (Richterinnen und Richter sind gleichermaßen gemeint).
[2] Die Kunst des Juristen ist die Kunst der Unterscheidung, Interview zwischen Prof. Weth und Prof. Würdinger, Juris jM 1/2018, 40 ff.

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