a) Bedürfnislagen des Nachscheidungsunterhalts

Der Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt rechtfertigt sich nur bei Vorliegen der in den §§ 1569 ff. BGB aufgeführten Bedürfnislagen. Sie am Einzelfall herauszuarbeiten, kennzeichnet die Rechtsprechung.

aa) Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB

Einzelfallbezogen ist die Rechtsprechung zur Notwendigkeit der persönlichen Betreuung eines gemeinsamen Kindes und der Vereinbarkeit einer Erwerbstätigkeit. So kann auch bei fortgeschrittenem Alter eines Kindes, das an Autismus, Neurodermitis und einer Lebensmittelunverträglichkeit leidet, zudem von Migräne und Kopfschmerzen geplagt wird, Verlängerungsunterhalt beansprucht werden und besteht keine Verpflichtung der Kindesmutter zur Vollzeittätigkeit, wenn das Kind einen deutlich erhöhten Förderungsbedarf hat.[43]

[43] OLG Hamm, Beschl. v. 2.6.2016 – 6 WF 19/16, NJW-RR 2017, 2 = BeckRS 2016, 16746 bespr. von Schwamb, NZFam 2016, 993.

bb) Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB

Besonderer Darlegungsbedarf besteht, wenn das Erwerbshindernis auf Krankheit beruhen soll. Wird nachehelicher Unterhalt als Krankheitsunterhalt eingefordert, reicht allein der Hinweis auf Bezug von Leistungen nach dem SGB II/SGB XII nicht aus; der Verweis auf ein nicht schriftsätzlich aufgearbeitetes Anlagenkonvolut ersetzt konkreten Vortrag ebenfalls nicht.[44]

[44] OLG Koblenz, Beschl. v. 19.2.2016 – 13 WF 22/16, NJW 2016, 2279 = FamRZ 2016, 1460 bespr. von Erdrich, NZFam 2016, 368.

b) Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen

Unterhalt dient der Sicherstellung des allgemeinen Lebensbedarfs. Bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen werden regelmäßig nicht alle Einkünfte dem allgemeinen Lebensbedarf, dem Konsum, zugeführt, vielmehr in eine Vermögensbildung investiert. Unterhaltsrechtlich gilt es, eine Abgrenzung dieser Bereiche vorzunehmen. Dem dient die konkrete Bedarfsbemessung.

aa) Erforderlichkeit konkreter Bedarfsbemessung

Die Rechtsprechung und die unterhaltsrechtlichen Leitlinien variieren in der Frage, ab welcher Einkommenshöhe die Notwendigkeit konkreter Bedarfsbemessung besteht. Jüngst hat das OLG Stuttgart dazu entschieden: Bei bereinigten Gesamteinkünften der Eheleute von 8.839 EUR monatlich errechnet sich der Unterhaltsanspruch nach dem Halbteilungsbedarf. Eine konkrete Bedarfsermittlung ist nicht erforderlich.[45]

[45] OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.9.2015 – 11 UF 100/15, NJW 2016, 575 = FamRZ 2016, 638 = NZFam 2016, 232 m. Anm. Heiß; erforderlich bei einem über 5.100 EUR hinausgehenden Bedarf: OLG Köln, Beschl. v. 26.11.2015 – 4 UF 138/15, BeckRS 2016, 16634 bespr. von Viefhues, NZFam 2016, 994.

bb) Bemessung nach den bisherigen ehelichen Lebensverhältnissen

Die konkrete Bedarfsbemessung hat von den bisherigen ehelichen Lebensverhältnissen auszugehen; die für den allgemeinen Lebensbedarf genutzten Einkünfte sind heranzuziehen. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen; sowohl eine zu dürftige Lebensführung als auch ein übermäßiger Aufwand bedürfen der Korrektur. Der für eine Korrektur unangemessener Vermögensbildung heranzuziehende Maßstab darf allerdings nicht dazu führen, dass der Boden der ehelichen Lebensverhältnisse verlassen wird und Vermögenseinkünfte als eheprägend zugrunde gelegt werden, die auch nach einem objektiven Maßstab nicht für die allgemeine Lebensführung verwendet worden wären.[46]

[46] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2016 – 3 UF 141/14, FF 2016, 205 = BeckRS 2016, 08153, bespr. von Finke, NZFam 2016, 659.

cc) Anrechnung von Einkünften

Wird im Rahmen des Quotenunterhalts der Erwerbstätigenbonus berücksichtigt, so sind Einkünfte bei der konkreten Bedarfsbemessung ohne Erwerbstätigenbonus auf den Bedarf anzurechnen. Ferner gilt, dass Abzüge von den Einkünften dann nicht in Betracht kommen, wenn etwa mit ihnen verbundener Aufwand bereits durch die Bedarfspositionen abgedeckt ist.[47]

[47] OLG Hamm, Beschl. v. 21.3.2016 – 4 UF 14/14, BeckRS 2016, 11349 bespr. von Höhler-Heun, NZFam 2016, 708.

dd) Darlegungs- und Beweislast

Ist nach Lage des Falles von besonders günstigen Lebensverhältnissen auszugehen, hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte die Darlegungs- und Beweislast für seinen aktuellen persönlichen Bedarf. Insoweit kann er die jeweiligen Bedarfspositionen exemplarisch und unter Angabe der jeweiligen Größenordnung so weitgehend darlegen, dass sie jedenfalls einer Schätzung nach § 287 ZPO zugänglich sind.[48]

Eine Schätzung nach § 287 ZPO kommt umso eher in Betracht, als es sich um existenziell notwendige Bedarfspositionen handelt. Die Substantiierung zur Höhe der Bedarfspositionen kann durch Vorlage von Belegen zu den jeweiligen Kosten in vergangener Zeit vorgenommen werden. Der konkrete Bedarf zu existenziell notwendigen Bedarfspositionen (z.B. Essen, Trinken, Kleidung, Wohnen) kann aber bei unzureichender Substantiierung nicht auf null gesetzt werden, er bedarf dann der Schätzung durch das Familiengericht.[49]

[48] OLG Hamm, Beschl. v. 21.3.2016 – 4 UF 14/14, BeckRS 2016, 11349 bespr. von Höhler-Heun, NZFam 2016,708; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2016 – 3 UF 141/14, FF 2016, 205 = BeckRS 2016, 08153 bespr. von Finke, NZFam 2016,659.
[49] OLG Hamm, Beschl. v. 21.3.2016 – 4 UF 14/14, BeckRS 2016, 11349 bespr. von Höhler-Heun, NZFam 2016, 708.

c) Verwirkung nach § 1579 BGB

Der zunächst in konkreter Höhe festzustellende Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt kann der Verwirkung unterliegen. Ob er ...

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