Dr. Undine Krebs

Familienanwalt ist ein anstrengender Beruf und man sollte sich über die berufstypischen Risiken nicht hinwegtäuschen. Gerade im Familienrecht stellt man immer wieder fest, dass der Anwalt viele Mandanten hat, der Mandant aber nur einen Anwalt und deswegen meldet er sich so oft bei uns. Ein in diesem Fachbereich tätiger Anwalt muss in der Lage sein, die Frustrationen, die oft unrealistischen Erwartungen und die manchmal kindlichen Forderungen der Mandanten zu erdulden. Oft wird therapeutische Hilfe erwartet und der Anwalt soll auch noch der Lebensratgeber sein. Der Mandant ist der Auffassung, dass der Anwalt ihm endlich zur Gerechtigkeit verhelfen könne. Gerade jüngere Kolleginnen und Kollegen oder sensiblere Kolleginnen und Kollegen müssen aufpassen, dass sie sich die Lebensgeschichten der Mandanten nicht so zu Herzen nehmen. Sie sollten sich bewusst machen, dass es eine Sache ist, für einen Mandanten da zu sein, und eine andere, professionelle Distanz zu wahren.

Nahezu jeder in diesem Bereich tätige Kollege klagt darüber, dass ihn immer wieder völlig unberechtigte Vorwürfe der Mandanten – gerade in Kindschaftsangelegenheiten – treffen. So äußert sich ein Mandant enttäuscht darüber, dass die Ehefrau zuerst beim Jugendamt vorstellig geworden sei und man ihm diesbezüglich keinen taktischen Tipp gab, weshalb die andere Seite im Verfahren nun angeblich einen Vorteil habe. Dann gibt es auch diejenigen, die einem vorwerfen, dass man im Verfahren zu wenig gesagt habe oder zu freundlich aufgetreten sei, bzw. dass es ein großer Fehler war, dass man im Schriftsatz nicht die so wichtige Information eingearbeitet habe, die der Mandant doch noch per Mail geschickt habe. Es wird einem noch vorgehalten, warum man nicht dafür sorgen könne, dass der Verhandlungstermin schneller anberaumt werde. Versucht man die Argumente der Gegenseite, die der Mandant so gar nicht nachvollziehen kann, zu erläutern, wird man misstrauisch gefragt, ob man den Gegner denn sehr sympathisch fände und auf welcher Seite man eigentlich stünde. Auch der erfahrenste Familienanwalt resigniert dann, zweifelt an der eigenen Kompetenz und kann leicht zum Zyniker werden.

Dagegen hilft der Austausch mit anderen Kollegen. Wenn eine Atmosphäre des Vertrauens herrscht, bei Stammtischen oder Fortbildungen, bei der auch Zeit für ein privates Gespräch ist, kann man solche beruflichen Schwierigkeiten erörtern und feststellen, dass es anderen genauso geht. Außerdem sollte man sich immer wieder der berufsbedingten Privilegien bewusst sein: Wir stehen im Dienst anderer Menschen, wir können ihnen helfen und haben Einfluss auf sie. Der intensive Austausch mit Menschen im familienrechtlichen Mandat ist oft sehr bereichernd und wiederholt erfahren wir viel Dankbarkeit und Wertschätzung. Darüber hinaus kommen wir den Menschen so viel näher als alle anderen Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Richter. Wir erfahren viel über Verborgenes und sind dadurch mehr in der Lage, hinter die Kulissen zu blicken; das Menschliche ist uns nicht mehr fremd und wir gewinnen an Lebenserfahrung, sozusagen durch zweite Hand. Unsere Tätigkeit ist eine intellektuelle Herausforderung und wir helfen Menschen in und durch Krisensituationen; aus diesem Grund dürften sich sicherlich wenige unserer Kollegen über die Sinnlosigkeit ihrer Tätigkeit beklagen.

Eines sollte man sich aber immer wieder bewusst machen: Der Mandant ist für sich selbst verantwortlich und nicht wir für ihn. Nehmen Sie seine Vorwürfe nicht allzu ernst und haben Sie ebenso Geduld mit Ihrem Mandanten wie mit sich selbst.

Autor: Dr. Undine Krebs

Dr. Undine Krebs, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München

FF 4/2016, S. 133

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