Ausgangslage

Die Entscheidung des BGH vom 17.7.2013 befasst sich mit den Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Auslegung eines Ehevertrages und eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB notwendig sind.

Inhalt der Entscheidung

Der Antragsteller, der von Beruf Busfahrer ist, und die Antragsgegnerin, die Krankenschwester ist, heirateten am 30.8.1980. Aus der Ehe ist ein 1981 geborener Sohn hervorgegangen. Die Beteiligten waren durchgehend berufstätig. Ihr monatliches Nettoeinkommen beträgt jeweils ca. 2.000 EUR.

Die Beteiligten lebten bis zur Trennung im Juni 2010 in dem im Alleineigentum der Antragsgegnerin stehenden Zweifamilienhaus. Der Grundbesitz ist schuldenfrei. Das entsprechende Grundstück hatten ihr ihre Eltern nebst zwei weiteren kleineren Grundstücken im Wege der vorweggenommenen Erbfolge im Jahr 1996 übertragen. Die Beteiligten hatten 1996 an dem aufstehenden Wohnhaus, in dem sie und die Eltern der Antragsgegnerin bereits wohnten, einen Anbau errichtet.

Mit notariellem Ehevertrag vom 25.6.1996 modifizierten die Beteiligten den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, in dem sie vereinbarten, dass die von der Antragsgegnerin von ihren Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhaltenen Grundstücke und die darauf befindlichen Gebäude, insbesondere auch das Wohnhaus, beim Zugewinnausgleich bei Beendigung der Ehe aus anderen Gründen als dem Tod der Ehefrau in keiner Weise, d.h. weder zur Berechnung des Anfangsvermögens noch des Endvermögens der Antragsgegnerin, berücksichtigt werden sollten.

Der Antragsteller, der den Wohnhausanbau mit seinen beruflichen Einkünften mitfinanzieren sollte und in der Folgezeit auch tatsächlich hat, verzichtete zur Absicherung der Antragsgegnerin auf jegliche Aufwendungsersatzansprüche, die im Zusammenhang mit der Finanzierung des Wohnhausanbaus standen. Der Antragsteller erklärte ferner ausdrücklich sein Einverständnis damit, dass als Folge der vereinbarten Regelung das von ihm während der Ehe erworbene Vermögen, soweit nicht ein privilegierter Erwerb i.S.d. § 1374 BGB vorläge, dem Zugewinnausgleich unterliegen könne.

Die Ehe der Beteiligten wurde am 30.12.2011 rechtskräftig geschieden. Das Amtsgericht hat den Antragsteller antragsgemäß unter Außerachtlassung des streitgegenständlichen Grundbesitzes nach den Bestimmungen des Ehevertrages dazu verpflichtet, an die Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich in Höhe von 17.149,37 EUR zu zahlen. Ein von dem Antragsteller behaupteter mündlicher Verzicht der Antragsgegnerin auf Zahlung von Zugewinnausgleich hat es für unwirksam erachtet. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Antragstellers, der BGH seine Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

Einordnung der Entscheidung

Der Schwerpunkt der Entscheidung des BGH vom 17.7.2013 liegt nicht in der Wirksamkeitskontrolle des Ehevertrages gemäß § 138 BGB, sondern bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine ergänzende Vertragsauslegung überhaupt erfolgen darf und welche Maßstäbe hierfür anzuwenden sind, ferner wann eine Korrektur eines Ehevertrages durch eine Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB angezeigt ist.

Bedeutung der Entscheidung des BGH für die Praxis

Unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung zum allgemeinen Vertragsrecht (hier zum gewerblichen Mietrecht)[1] hat der BGH die Kriterien für die Prüfung, ob eine ergänzende Auslegung eines Ehevertrages überhaupt notwendig ist, aufgeführt. Erforderlich ist zunächst eine planwidrige Unvollständigkeit der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts. Hierfür reicht es nicht aus, dass ein Vertrag nur zu einem bestimmten Thema keine Regelung enthält. Nur wenn ohne ergänzende Vertragsauslegung das Ergebnis einer Prüfung in offenbarem Widerspruch zu dem nach dem Inhalt des Vertrages Vereinbarten steht, darf ein Vertrag ergänzt werden. Die Ergänzung darf nicht zu einer wesentlichen Erweiterung des Vertragsinhalts führen. Im konkreten Fall war aus dem Kontext der Regelungen zu entnehmen, dass die Eheleute eine Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von Zugewinnausgleich zumindest für möglich gehalten hatten. Denn andernfalls hätte die Erwähnung in dem Vertrag, dass das während der Ehe durch den Antragsteller erworbene Vermögen dem Zugewinnausgleich unterliegen solle, keinen Sinn ergeben.

Bei optimaler Beratung durch einen Rechtsanwalt hätte der Antragsteller bei Abschluss des Ehevertrages darauf bestehen sollen, dass nicht nur er selbst auf die Einbeziehung der auf die Antragsgegnerin übertragenen Grundstückswerte in den Zugewinn verzichtet, sondern im Gegenzug auch die Antragsgegnerin auf einen eventuellen Ausgleich des Zugewinns wegen eines durch den Antragsteller während der Ehe erworbenen Vermögens. Dass die Aufnahme einer solchen Verzichtsklausel in dem zu prüfenden Ehevertrag unterblieben war, vielmehr der Verzicht auf die Berücksichtigung der übertragenen Grundstückswerte einseitig von dem Antragsteller erklärt worden war, führte im konkreten Fall weder zu einer Unwirksamkeit noch zu einer Anpassung des Vertrages.

Für eine Annahme...

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