Die Charts – sie gibt es im Übrigen nur im Plural – lasse ich im Jahre 1976 einsetzen, am Vorabend der großen Reform des Scheidungsrechts durch das 1. EheRG. Damals war der Scheidungsunterhalt noch in dem aus dem Jahre 1938 stammenden Ehegesetz[2] geregelt und nach Geschlecht und Verschulden unterschiedlich sortiert.

Unterhaltspflichtig war vor allem der allein oder überwiegend als schuldig geschiedene Mann, und zwar nach dem Maß der "Lebensverhältnisse der Ehegatten" – das war eindeutig eine Art Schadensersatz.[3] Die allein oder überwiegend schuldige Frau hatte dem Mann, der sich nicht selbst unterhalten konnte, "angemessenen Unterhalt" zu leisten.[4] Bei beiderseitigem etwa gleichem Verschulden richtete sich die Unterhaltspflicht nach Billigkeit.[5] Die Rangverhältnisse waren nicht klar geregelt, folglich streitig, insbesondere das Verhältnis zum neuen Ehegatten des Pflichtigen.[6] Das alte Recht gab der unschuldig geschiedenen Frau fast alles, der schuldig geschiedenen allerdings nichts. Davon abgesehen lag das Meiste in der Grauzone der Billigkeit – einem Begriff, dem eine große Karriere im Unterhaltsrecht bevorstehen sollte.

Wenn wir unsere Charts aus der Sicht des unterhaltsuchenden Teils anlegen, also nach den Chancen, zu einem Unterhaltsanspruch zu gelangen, so können wir bei einem Raster von 100 bei gefühlten 60 Punkten einsetzen. Das ist der Ausgangswert für eine dramatische Chartentwicklung.

[2] Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet vom 6.7.1938 (RGBl I 807) in der Fassung des Gesetzes Nr. 16 der Alliierten Kontrollbehörde vom 20.2.1946 (KRABl 77, ber. 294).
[3] § 58 Abs. 1 EheG.
[4] § 58 Abs. 2 EheG. Die unterschiedliche Behandlung des Ehemannes und der Ehefrau in § 58 EheG wurde nach Inkrafttreten des GG von der h.M. für verfassungswidrig gehalten, vgl. Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Aufl. 1968, § 58 EheG Rn 8.
[5] § 60 EheG.
[6] Siehe § 59 Abs. 1 S. 2 EheG, dazu Hoffmann/Stephan, EheG, 2. Aufl. 1968, § 59 EheG Rn 26 ff.

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