BGB § 1573, § 1577 Abs. 1, § 1578 § 1578b

 

Leitsatz

1. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte trägt im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er keine reale Chance auf eine Vollzeitarbeitsstelle hat, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job) und auch für eine Erwerbstätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGB IV (sog. Midi-Job) zutrifft. (Rn 30) (Rn 34)

2. Bewohnt der Unterhaltsberechtigte nach der Scheidung weiterhin das eheliche Einfamilienhaus, geht dies im Rahmen der konkreten Bedarfsermittlung regelmäßig über seinen Wohnbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen hinaus. Dieser wird bereits durch eine dem ehelichen Standard entsprechende Wohnung für eine Person gedeckt. (Rn 44) (Rn 49)

3. Zum Verhältnis von Vermögensverwertung nach § 1577 Abs. 1 BGB und Herabsetzung/Befristung des Unterhalts nach § 1578b BGB. (Rn 64)

BGH, Urt. v. 18.1.2012 – XII ZR 178/09 (OLG Karlsruhe, AG Villingen-Schwenningen)

 

Anm. d. Red.:

Die Entscheidung ist abgedruckt in FamRZ 2012, 517 m. Anm. Born.

 

Anmerkung

Die Entscheidung befasst sich mit zahlreichen aktuellen Problemen des Unterhaltsrechts. Hier sollen die Kernaussagen, die auch in den Leitsätzen Niederschlag gefunden haben, näher betrachtet werden.

1. Konkrete Bedarfsberechnung

Der konkrete Unterhaltsbedarf beim Ehegattenunterhalt wird in der veröffentlichten Rechtsprechung relativ selten behandelt. Insofern ist es geradezu bemerkenswert, dass der BGH, nachdem er sich in zwei Entscheidungen in 2010 mit dieser Thematik befasst hatte,[1] nun schon wieder Gelegenheit hatte, hierzu Ausführungen zu machen. Er hat dabei die Bedarfsfeststellung auf der Grundlage der von der Frau geltend gemachten 58 Einzelpositionen, die durch die Gerichte in den beiden Vorinstanzen in ihrer Summe von rd. 6.800 EUR auf rd. 4.600 EUR reduziert worden waren, grundsätzlich nicht beanstandet, obwohl die Frau ausschließlich ihren eigenen Bedarf nach der Trennung dargelegt hatte. Diese viel geübte Praxis ist mit dem Sinn und Zweck der konkreten Bedarfsfeststellung nicht vereinbar. Hierbei kommt es nämlich zunächst nicht darauf an, was der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Trennung für seinen Lebensbedarf benötigt, sondern was die Eheleute während des gemeinsamen Zusammenlebens für ihren gemeinsamen Lebensbedarf aufgewendet hatten. Auf diese Weise wird erreicht, dass nur die für den gemeinsamen ehelichen Bedarf i.S.d. § 1578 Abs. 1 BGB aufgebrachten Mittel und nicht der daneben für die Vermögensbildung verwendete Teil der Einkünfte für den Unterhalt herangezogen werden.[2] Der Unterhaltsberechtigte kann regelmäßig die Hälfte des während der Ehe für den Lebensunterhalt betriebenen Aufwandes als Bedarf beanspruchen. Teilweise wird der Bedarf nicht im Wege der Halbteilung, sondern entsprechend dem Anteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten an den jeweiligen Ausgabenpositionen ermittelt,[3] was die Berechnung nicht nur zusätzlich erschwert, sondern auch nicht erforderlich ist, da das Gesetz auf die ehelichen Lebensverhältnisse und nicht die Lebensverhältnisse des einzelnen Ehegatten innerhalb der Ehe, d.h. seinen tatsächlichen Anteil an dem für den Lebensbedarf betriebenen Gesamtaufwand, abstellt. Folgt man der Auffassung, dass ein konkreter Bedarf auch durch Darlegung der Einzelpositionen des aktuellen Bedarfs nach der Trennung erfolgen kann, so bedarf es zusätzlichen Vortrags dazu, dass die geltend gemachten Einzelpositionen mit den ehelichen Lebensverhältnissen übereinstimmen oder jedenfalls nicht darüber hinausgehen. Es sind damit in jedem Fall Darlegungen zu dem Aufwand für den Lebensbedarf während des ehelichen Zusammenlebens erforderlich. Dies ist im konkreten Fall nicht einmal ansatzweise geschehen, so dass es für den konkreten Bedarf der Frau keine verlässliche Grundlage gibt.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass abgesehen von den vorstehend dargestellten Möglichkeiten die Ermittlung des konkreten Bedarfs eines Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 BGB auch in der Weise erfolgen kann, dass vom Gesamteinkommen der Ehegatten die Aufwendungen für die Vermögensbildung abgesetzt werden, da der dann verbleibende Betrag zwangsläufig dem Aufwand entspricht, den die Eheleute zur Deckung des Lebensbedarfs während des Zusammenlebens hatten.[4] Hiervon kann jeder Ehegatte die Hälfte beanspruchen. Mit dieser Methode ist dem Sinn und Zweck der konkreten Bedarfsdarlegung, die für die Vermögensbildung verwendeten Mittel der Eheleute aus der Unterhaltsberechnung zu eliminieren, genüge getan. Es erübrigt sich in diesem Fall die in der Regel aufwändige Auflistung und die nicht selten wenig transparente und nachvollziehbare Bewertung der Einzelpositionen. So würde sich im vorliegenden Fall der Streit z.B. um die Position von 60 EUR für den Zigarettenkonsum der Frau erledigt haben, ohne dass es eines Eingehens auf den Einwand des Mannes bedurft hätte, die Geltendmachung dieser Aufwendungen verst...

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