Der Begriff "Wechselmodell" stammt aus der Umgangssprache, ist also im Gesetz nicht geregelt. Er gibt einen Zustand wieder: Das Kind wird nicht von einem Elternteil allein betreut, sondern abwechselnd von beiden Elternteilen. Die Ausgestaltung im Einzelnen variiert zwischen dem in der Praxis kaum relevanten "Nestmodell", bei dem das Kind stets in der Wohnung eines Elternteils lebt und dort von den beiden Elternteilen abwechselnd betreut wird, sowie dem "eigentlichen Wechselmodell",[7] bei dem das Kind abwechselnd in der Wohnung des einen und des anderen Elternteils lebt und betreut wird. Angesichts der geringen praktischen Bedeutung des Nestmodells wird dieses hier nicht weiter behandelt. Auch das eigentliche Wechselmodell wird bisher in Deutschland relativ selten praktiziert, am ehesten wohl von beiderseits erwerbstätigen und überdurchschnittlich verdienenden Akademikern.[8]

Einigkeit besteht darüber, dass es unterhaltsrechtlich irrelevant sein kann, wenn das Kind weit überwiegend von einem Elternteil betreut wird und der andere Elternteil nur ein Umgangsrecht ausübt, das über das meist praktizierte Maß hinausgeht. Es ist hingegen umstritten, wann die Grenze zwischen diesem Zustand und einem unterhaltsrechtlich relevanten Wechselmodell erreicht ist.

Eine allgemeingültige Antwort wird man hierzu nicht geben können. Es geht um Bewertungs- und Definitionsfragen, die eigentlich nicht mit kategorischen Feststellungen beantwortet werden können. Jedoch verlangt § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB eine Antwort. Hiernach erfüllt ein Elternteil, der sein Kind betreut, seine Unterhaltspflicht, ohne sich zusätzlich am Barunterhalt beteiligen zu müssen.[9] Es muss also geklärt werden, wann eine solche Betreuung vorliegt, die sich auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes auswirkt.

Man ist sich einig, dass ein unterhaltsrechtlich relevantes Wechselmodell jedenfalls dann vorliegt, wenn das Kind von beiden Elternteilen je zur Hälfte betreut wird. Für den Fall, dass der Umfang der Betreuung nicht gleich oder nahezu gleich ist, sondern ein Elternteil in größerem Umfang betreut als der andere, gehen die Meinungen auseinander.

Die BGH-Rechtsprechung zu dieser Frage ist recht eindeutig: Ein Wechselmodell mit erheblichen Auswirkungen auf den Unterhalt liegt nur vor, wenn die Eltern das Kind in annähernd gleichem Umfang betreuen.[10] Auch wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil über das übliche Maß eines Umgangsrechts hinaus Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt und sich dies "bereits einer Mitbetreuung annähert", ändert das noch nichts am allein entscheidenden Schwergewicht der Betreuung.[11] Es ist auch nicht nur darauf abzustellen, in welchem zeitlichen Umfang die Betreuung geleistet wird; dies stellt lediglich ein Indiz dar. Mitzuberücksichtigen ist auch, ob ein Elternteil "bedeutsame organisatorische Aufgaben der Kindesbetreuung allein" erledigt.[12] Liegt keine zumindest annähernd gleich umfangreiche Betreuung durch beide Elternteile vor, ändert sich grds. nichts an der Regel des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB: Der nur in geringerem Umfang betreuende Elternteil hat den nach seinem Einkommen ermittelten Barunterhalt zu zahlen.

Diese Ansicht wird in der Literatur weitgehend geteilt.[13] Sie ist allerdings auch auf deutlichen Widerspruch gestoßen.[14] Dieser wird damit begründet, die schematisierende Betrachtungsweise des BGH werde einer geänderten Lebenswirklichkeit, in der beide Elternteile in zunehmendem Maße ihre Elternverantwortung wahrnehmen, nicht gerecht. Der Vater, der sich in weit überdurchschnittlichem Maß um Kind oder Kinder kümmere, werde demotiviert, da sich trotz seines Engagements an seiner Zahlungspflicht nichts ändere, solange er nicht in annähernd gleichem Umfang wie die Mutter betreue.

Es mag durchaus sein, dass die Rechtsprechung des BGH im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die man als ungerecht empfinden kann. Das würde jedoch mit anderer Begründung ebenso gerügt, wenn anders entschieden würde. Eine absolute Gerechtigkeit lässt sich auch im Unterhaltsrecht nicht erreichen. Schon das Gesetz gibt bei der Aufteilung in § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB eine Schematisierung geradezu vor, wenn dort Betreuungsunterhalt und Barunterhalt als generell gleichwertig behandelt und nur für den extremen Ausnahmefall Abweichungen zugelassen werden; auch dies kann vom Unterhaltsschuldner mit hohem Einkommen als ungerecht empfunden werden, ebenso vom betreuenden und gleichzeitig erwerbstätigen Elternteil, an den der andere Elternteil wegen geringen Einkommens nur geringen Kindesunterhalt leistet. Zu Recht weist deshalb die Kinderrechtekommission des DFGT[15] darauf hin, eine Anknüpfung an den exakten Betreuungsaufwand könne wiederum Ungerechtigkeiten zur Folge haben, weil der genaue Umfang des Betreuungsaufwands häufig nicht feststellbar wäre; im Übrigen müsse der Barunterhalt, je mehr man ihn entsprechend dem beiderseitigen Betreuungsaufwand festlege, bei einer Änderung dieser Verhältnisse umso häufiger angepasst werden.

Eine Schematisierung gemäß...

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