1. Die vorstehende Entscheidung des BGH vom 20.11.2013 (XII ZB 569/12) befasst sich zum einen mit der in Literatur und Rechtsprechung bislang selten aufgetretenen Frage, welches Jugendamt für die Mitwirkung in einem die Personensorge für ein minderjähriges Kind betreffenden Verfahren zuständig ist. Nach der Inobhutnahme eines unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtlings hatte der BGH in einem Verfahren auf Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge der im Ausland lebenden Eltern zu prüfen, ob das bislang am Verfahren nicht beteiligte Jugendamt berechtigt war, gegen das vom Rechtspfleger des Amtsgerichts auf Anregung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft der Stadt Berlin festgestellte Ruhen der elterlichen Sorge Beschwerde einzulegen. Zum Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII durch Landesrecht bestimmt wird, regelt § 33 Abs. 1 S. 1 des Berliner Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG Berlin), dass die Jugendämter der Bezirke die Aufgaben des örtlichen Trägers nach § 85 Abs. 1 SGB VIII und die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung (Landesjugendamt) die Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 85 Abs. 2 SGB VIII wahrnehmen. Unter Hinweis darauf, dass eine Beschwerdeberechtigung nach §§ 59 Abs. 3, 162 Abs. 3 S. 2 FamFG nur dem zuständigen Jugendamt zusteht, hat der BGH in Übereinstimmung mit dem Beschwerdegericht[1] die Beschwerdeberechtigung des Jugendamtes aufgrund der zu beachtenden Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeitsbereiche des örtlichen und des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugend bejaht. Das in der vorliegenden Kindschaftssache gemäß § 151 Nr. 1 FamFG nach § 162 Abs. 1 S. 1 FamFG vom Familiengericht anzuhörende Jugendamt, das ohne die Stellung eines Antrages nach § 162 Abs. 2 S. 2 FamFG zwar noch nicht formell zum Verfahrensbeteiligten im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG wird, aber gleichwohl zur Einlegung einer Beschwerde berechtigt ist (§ 162 Abs. 3 S. 2 FamFG), bestimmt sich nach § 85 SGB VIII. Für die Unterstützung des Familiengerichts bei allen Maßnahmen, die die Sorge und die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen, zu denen gemäß § 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB VIII auch die Mitwirkung in Kindschaftssachen nach § 162 FamFG gehört, ist nach dem in § 85 Abs. 1 SGB VIII festgelegten Regel-Ausnahme-Prinzip grundsätzlich der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sachlich zuständig. Der überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist sachlich nur zuständig, soweit eine der in § 85 Abs. 2 SGB VIII abschließend aufgezählten Aufgaben betroffen ist.[2] Das Eingreifen einer derartigen Ausnahmeregelung zugunsten der Senatsverwaltung war für die Mitwirkung am familiengerichtlichen Verfahren im Sinne von § 162 FamFG jedoch nicht festzustellen, so dass es bei der grundsätzlichen sachlichen Zuständigkeit des bezirklichen Jugendamtes als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe verblieb. § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII begründet zwar i.V.m. Nr. 6 Abs. 1 bis 3 des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben zu § 2 Abs. 4 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin (ZustKatOrd) eine sachliche Zuständigkeit der Senatsverwaltung für die Inobhutnahme unerlaubt einreisender minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer und von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, jedoch keine darüber hinausgehende sachliche Zuständigkeit für die Mitwirkung am familiengerichtlichen Verfahren. Das am familiengerichtlichen Verfahren nicht beteiligte Jugendamt war daher zur Einlegung der Beschwerde berechtigt.

2. Neben dieser prozessualen Frage bestätigt der BGH in der Sache auch die Feststellungen des Beschwerdegerichts, dass eine umfassende Ermittlung des Amtsgerichts zu den Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge erforderlich ist. Entgegen einer weithin festzustellenden Praxis, das Ruhen der elterlichen Sorge bei unbegleitet einreisenden Minderjährigen ohne nähere Prüfung anzuordnen, erfordert der in diesen Verfahren zu beachtende § 26 FamFG – neben der nach § 159 Abs. 1 S. 1 FamFG erforderlichen persönlichen Anhörung des Kindes durch das Gericht – die amtswegige Aufklärung aller entscheidungserheblichen Tatsachen. Dies beinhaltet in Zweifelsfällen insbesondere eine nähere Aufklärung des behaupteten Alters des Betroffenen sowie hinreichende Feststellungen über die Erreichbarkeit der Eltern, um klären zu können, ob diese tatsächlich längere Zeit gehindert sind, die elterliche Sorge auszuüben. Grundsätzlich reicht nämlich eine bloße physische Abwesenheit eines Elternteils ebenso wenig aus, wenn der vermeintlich verhinderte Elternteil, etwa durch den anderen Elternteil, Verwandte oder Hilfskräfte, das Kind versorgt weiß und auch aus der Ferne Einfluss auf die Ausübung der elterlichen Sorge nehmen kann,[3] wie die mit einem Abtauchen eines Elternteils verbundenen Behinderungen in der Ausübung des Sorgerechts für sich betrachtet noch nicht die Annahme einer tatsächlichen Verhinderung erlauben, da ...

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