[1] I. Der Antragsteller begehrt die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs dahin, dass er ab Dezember 2011 keinen Kindesunterhalt mehr schuldet.

[2] Er ist der Vater der im Mai 2001 geborenen Antragsgegnerin zu 1. Mit am 19.4.2007 vor dem Familiengericht abgeschlossenem Vergleich hatte er sich verpflichtet, ab Februar 2008 für seine Tochter zu Händen der Kindesmutter monatlichen Unterhalt i.H.v. 130 EUR zu zahlen. Die Antragsgegnerin zu 2 erbrachte für die Antragsgegnerin zu 1 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGBII und verlangte für den Zeitraum von September 2010 bis November 2012 Unterhalt aus übergegangenem Recht.

[3] Der Antragsteller verbüßt seit Ende 2007 wegen Mordes eine lebenslange Haftstrafe im baden-württembergischen Strafvollzug. Er geht in der Haft einer Arbeitstätigkeit nach, aus der er Einkommen erzielt. Im Zeitraum Dezember 2011 bis einschließlich Januar 2013 erhielt er Hausgeld von insgesamt 1.598,61 EUR und Eigengeld von insgesamt 2.199,86 EUR. Außerdem stand ihm ein Sondergeld von monatlich 55 EUR zur Verfügung.

[4] Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Abänderungsbegehren weiter.

[5] II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

[6] 1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

[7] Der Antragsteller sei mit dem von ihm in der Strafhaft verdienten Eigengeld in der Lage, den titulierten Kindesunterhalt zu zahlen. Einem Strafgefangenen müsse nur das Hausgeld zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse verbleiben. Soweit das Oberlandesgericht Hamm ausgehend vom Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle ersparte Aufwendungen für Wohnen und Ernährung abziehe und so den persönlichen Selbstbehalt eines Strafgefangenen mit 275 EUR errechne, sei dem nicht zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO auf die Pfändung von Eigengeld weder direkt noch analog anzuwenden. Für die persönlichen Bedürfnisse des Strafgefangenen dienten allein 3/7 seines Arbeitsentgelts als Hausgeld; nur dieses sei unpfändbar. Der notwendige Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle umfasse auch die Kosten der Teilnahme am sozialen Leben, die auf den Strafgefangenen nicht zu übertragen seien.

[8] Eine Verringerung seines Eigengeldes nach Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt habe der Antragsteller nicht plausibel dargelegt. Ihm sei es auch verwehrt, sich auf im Insolvenzverfahren zugunsten anderer Gläubiger erfolgte Pfändungen zu berufen, weil er unter Hinweis auf seine vorrangigen laufenden Unterhaltslasten eine zugunsten von Insolvenzgläubigern erfolgte Pfändung seines Eigengeldes habe verhindern können. Der Kindesunterhalt sei nicht mit Blick auf die Untätigkeit der Antragsgegnerinnen bei der Durchsetzung des Titels im Zeitraum von April 2007 bis November 2011 für die Zeit ab Dezember 2011 verwirkt. Denn die Verwirkung könne lediglich für rückständige Forderungen, die länger als ein Jahr zurücklägen, dazu führen, dass sie nicht mehr geltend gemacht werden könnten.

[9] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

[10] a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Beschwerdegericht das dem Antragsteller gutgeschriebene Eigengeld als für Unterhaltszwecke grundsätzlich einzusetzendes Einkommen angesehen hat.

[11] aa) Eine längere Strafhaft kann zur Leistungsunfähigkeit i.S.v. § 1603 Abs. 1 BGB führen, weil es dem Strafgefangenen unmöglich ist, einer normalen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Soweit er nicht über anderweitige Ertrag bringende oder verwertbare Mittel verfügt oder ein ihm gehörendes Erwerbsgeschäft trotz seiner Inhaftierung weiterbetrieben wird, kann als unterhaltspflichtiges Einkommen nur das Arbeitsentgelt herangezogen werden, das ihm in der Strafhaft gewährt wird (Senatsurt. v. 9.6.1982 – IVb ZR 704/80, FamRZ 1982, 913 und v. 21.4.1982 – IVb ZR 696/80, FamRZ 1982, 792, 793).

[12] Strafgefangene sind nach § 47 Abs. 1 S. 1 des dritten Buches des baden-württembergischen Justizvollzugsgesetzbuchs (im Folgenden: JVollzGB BW III) im baden-württembergischen Strafvollzug grundsätzlich arbeitspflichtig (vgl. auch § 41 Abs. 1 S. 1 StVollzG) und erzielen durch die Arbeit gemäß § 49 JVollzGB BW III ein Arbeitsentgelt (vgl. auch § 43 StVollzG). Der mit dem Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes v. 16.3.1976 (BGBl I S. 581) eingeführte Rechtsanspruch auf dieses Entgelt zielte nicht zuletzt darauf ab, den Strafgefangenen in die Lage zu versetzen, zum Unterhalt seiner Angehörigen wenigstens beizutragen. Dem entsprechend enthält das Strafvollzugsgesetz in § 49 eine Regelung zur Zahlung eines Unterhaltsbeitrags, deren Inkrafttreten jedoch nach wie vor gemäß § 198 Abs. 3 StVollzG suspendiert ist, nachdem die tatsächlichen Bezüge erheblich hinter einer leistungsgerechten...

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