Wird das Unterhaltsverlangen nicht zeitgerecht umgesetzt, wird ihm, soweit Unterhaltszeiträume in der Vergangenheit betroffen sind, vielfach der Einwand der Verwirkung nach § 242 BGB entgegengehalten. Eine Verwirkung von Unterhaltsrückständen kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.[69] Bei dem Rechtsgedanken der Verwirkung nach § 242 BGB kommt es in erster Linie auf das Verhalten des Berechtigten, nicht des Verpflichteten an. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Zum reinen Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der Verwirkung nicht begründen. Hinzutreten muss ein Vertrauen begründendes Verhalten des Gläubigers, das dem Schuldner Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde seinen Unterhaltsanspruch endgültig nicht mehr geltend machen, insbesondere, weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben hat. Das gilt erst recht bei titulierten Ansprüchen, denn mit der Verschaffung eines Vollstreckungstitels zeigt der Gläubiger bereits, dass er diesen über die gesamte Verjährungsfrist hin auch geltend machen will.[70] Die Formulierung "Aus Ihren eingereichten Einkommensnachweisen ergibt sich vorerst ein monatlich zu zahlender Unterhalt von … EUR" schafft keinen der Verwirkung zugänglichen Vertrauenstatbestand.[71]

Autor: Werner Reinken, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D., Hamm

FF 12/2021, S. 475 - 486

[69] BGH, Beschl. v. 31.1.2018 – XII ZB 133/17, NJW 2018, 1013 = FamRZ 2018, 589 = FF 2018, 160 und 253 m. Anm. Viefhues.
[70] OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.5.2020 – 13 WF 84/20, BeckRS 2020, 10525 = FamRZ 2020, 1918 nur LS bespr. v. Ahnefeld, NZFam 2020, 920.
[71] OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.6.2020 – 9 WF 138/20, BeckRS 2020, 11949 = FamRZ 2020, 2005 nur LS bespr. v. Härtl, NZFam 2020, 630.

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