Inge Saathoff

Noch gut kann ich mich daran erinnern, wie mein Vater reagierte, als ich meinen Eltern 1996 berichtete, dass ich Anwältin werden würde. "Willst Du nicht lieber in den Staatsdienst gehen? Gerade für eine Frau lässt sich die Arbeit dort doch viel besser mit einer Familie vereinbaren." Geprägt waren solche Sorgen natürlich auch durch die Erkenntnis, wie sich damals die Zulassungszahlen der Rechtsanwälte entwickelten. Von 1995 bis 2010 haben sich die Zahlen der Anwaltszulassungen mehr als verdoppelt. Diese Zahlen trieben manchem die Sorgenfalten auf die Stirn. Welche Auswirkungen sollte dies für die eigene tägliche Praxis haben, würde doch der "zu verteilende Kuchen" nicht unbedingt größer?

Wie sehr könnte man also frohlocken, wenn man den BRAK-Statistiken zum 1.1.2019 nunmehr entnehmen kann, dass im Vorjahresvergleich die Zahl der niedergelassenen Rechtsanwälte mit Einzelzulassungen um 2.321 zurückgegangen ist. Erkennbar ist dieser Trend auch an der rückläufigen Entwicklung der Mitgliederzahlen der Arbeitsgemeinschaften. Dieser Gedanke beleuchtet jedoch nur einen sehr kleinen Teil der Konsequenzen. Wenn es auch zukünftig unser Ziel ist, den Mandanten im Familienrecht qualifizierte Beratung anbieten zu können, so brauchen wir auch weiterhin ausreichend Nachwuchs, der bereit ist, sich im Familienrecht zu spezialisieren. Mit dem Rückgang der Zulassungszahlen scheint jedoch leider auch einherzugehen, dass sich immer weniger Kollegen vorstellen können, sich diesem Fachgebiet zuzuwenden. Selbst an den Universitäten sind Entwicklungen erkennbar, das Familienrecht aus den Lehrplänen zu streichen. Auch wenn die BRAK-Statistik ausführt, dass die Gesamtzahl der erworbenen Fachanwaltschaften weiter zugenommen habe, sodass nun 27,16 % der zugelassenen Rechtsanwälte mindestens einen Fachanwaltstitel haben, wobei Spitzenreiter die Fachanwaltschaften Arbeitsrecht und Familienrecht seien, so sind diese Ergebnisse möglicherweise irreführend. Sie drücken ein Verhältnis aus, wie viele der Rechtsanwälte einen Fachanwaltstitel haben. Im OLG-Bezirk Oldenburg haben wir im Fachausschuss Familienrecht eher den Eindruck, dass kaum noch Anträge auf Verleihung des Fachanwaltstitels gestellt werden.

Aus meiner Sicht sind wir daher alle gefragt, den jungen Studenten, Referendaren und Kollegen das Familienrecht als Betätigungsfeld nahezubringen. Wo es menschelt, gleicht schließlich kein Fall dem anderen. Natürlich ist Empathie gefragt, wenn der Mandant in einer emotional belasteten Situation zu uns kommt, was durchaus kräftezehrend sein kann. Die Bereiche des Unterhalts- oder Güterrechts erfordern jedoch ebenso vielschichtiges Denken und übergreifenden juristischen Sachverstand. Entgegen landläufiger Meinungen lässt sich darüber hinaus auch im Familienrecht Geld verdienen. Auch ist es ein Gerücht, dass nur Frauen im Familienrecht gut aufgehoben wären, gibt es doch für die Mandanten genauso viele Gründe, sich von einem Mann vertreten zu lassen wie von einer Frau.

Wenn wir selbst einmal Kanzleinachfolger finden wollen, so muss sich dringend die Bereitschaft erhöhen, Praktikumsplätze anzubieten, ebenso wie Ausbildungsstationen im Referendariat. Jeder, der Familienrecht macht weiß, wir sind nicht so schlecht wie unser Ruf bei den jungen Juristen zu sein scheint. Also tragen wir dazu bei, dies auch nach außen zu verdeutlichen!

Wir wünschen Ihnen eine schöne und vor allem nicht allzu hektische Weihnachtszeit!

Autor: Inge Saathoff

Inge Saathoff, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Oldenburg

FF 12/2019, S. 469

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