BGB § 1602 Abs. 1 § 1610; SGB XII § 27b § 35 Abs. 2 S. 1 § 42 § 94 Abs. 1 S. 6, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 § 105 Abs. 2; WoGG § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 6; AO § 270

Leitsatz

1. Liegt es im Verantwortungsbereich des Sozialhilfeträgers, dass der Unterhaltsberechtigte nicht pflegeversichert ist und deshalb im später eingetretenen Pflegefall kein Pflegegeld bezieht, kann der Übergang des Elternunterhaltsanspruchs gemäß § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII in Höhe des fiktiven Pflegegelds eine unbillige Härte bedeuten. Insoweit können allerdings fiktive Versicherungsbeiträge den Bedarf des Unterhaltsberechtigten erhöhen.

2. Von den Unterkunftskosten des in einem Heim lebenden und Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehenden Unterhaltsberechtigten unterliegen mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung 56 % nicht der Rückforderung und stehen damit einem Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII entgegen.

3. Ist der Elternunterhaltspflichtige verheiratet und bei Zusammenveranlagung in Steuerklasse III und sein Ehegatte in Steuerklasse V eingruppiert, ist für die Leistungsfähigkeit nicht von dessen tatsächlicher Steuerlast auszugehen. Vielmehr ist in Anlehnung an § 270 AO zunächst anhand der fiktiven Steuerlast bei einer Einzelveranlagung die Relation der individuellen Steuerlast zur gesamten Steuerlast zu ermitteln und anhand des entsprechenden Prozentsatzes die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen am Maßstab der bei Zusammenveranlagung tatsächlich bestehenden Steuerschuld zu berechnen (im Anschluss an Senatsurt. v. 10.7.2013 – XII ZB 298/12, FamRZ 2013, 1563; Urt. v. 17.9.2008 – XII ZR 72/06, BGHZ 178, 79 = FamRZ 2008, 2189 und v. 31.5.2006 – XII ZR 111/03, FamRZ 2006, 1178).

BGH, Beschl. v. 17.6.2015 – XII ZB 458/14 (OLG Karlsruhe, AG Baden-Baden)

1 Gründe:

[1] A. Der Antragsteller verlangt als Träger der Sozialhilfe vom Antragsgegner Elternunterhalt aus übergegangenem Recht.

[2] Die im Dezember 1925 geborene Mutter des Antragsgegners (im Folgenden: Mutter) lebt seit 1998 in einem Altersheim. Soweit sie die Heimkosten aus ihren Einkünften nicht vollständig zahlen konnte, übernahm diese der Antragsteller. Die Heim- einschließlich der Pflegekosten beliefen sich im für das Rechtsbeschwerdeverfahren maßgeblichen Zeitraum von Januar bis Dezember 2010 – ohne Investitionskosten – auf 32.352,85 EUR. Daneben erhielt die Mutter, deren Jahresrente sich auf 3.838,32 EUR belief, ein Taschengeld von jährlich 1.347,48 EUR. Da sie nicht pflegeversichert war, bezog sie kein Pflegegeld.

Der 1950 geborene und verheiratete Antragsgegner ist seit 1.1.2010 verrentet und verfügte im Jahr 2010 bei Steuerklasse III monatlich über eine Rente i.H.v. 1.388,70 EUR sowie eine Betriebsrente i.H.v. 1.963,39 EUR. Zudem erhielt er eine Übergangszahlung. Außerdem verfügt er über Leistungen aus zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungen. Ferner erzielten der Antragsgegner sowie seine Ehefrau, mit der er in einem im gemeinsamen Miteigentum stehenden Zweifamilienhaus lebt, Kapital- und Mieteinkünfte. Seine Ehefrau verfügte im Jahr 2010 aufgrund ihrer Teilzeiterwerbstätigkeit bei Steuerklasse V zudem über Nettoeinkünfte i.H.v. 799,74 EUR.

Der Antragsteller hat den Antragsgegner für das Jahr 2010, in dem dieser monatlich 405 EUR Unterhalt gezahlt hatte, auf Zahlung eines weiteren Betrages von 28.976,86 EUR in Anspruch genommen. Nachdem das AG dem Antragsteller insoweit einen Betrag von 3.557,83 EUR zugesprochen hatte, hat dieser in der Beschwerdeinstanz für das Jahr 2010 noch einen Gesamtbetrag von 23.901,34 EUR gefordert. Das OLG hat den Antragsgegner insoweit verpflichtet, an den Antragsteller einen Betrag von 7.476,96 EUR zu zahlen. Gegen die Abweisung seines weitergehenden Antrages wendet sich der Antragsteller mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde insoweit, als er weiteren rückständigen Elternunterhalt für das Jahr 2010 i.H.v. 3.222,54 EUR nebst Zinsen fordert.

[ … ]

[25] II. 2. a) aa) Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Unterhaltsbedarf des Elternteils regelmäßig durch seine Unterbringung in einem Heim und deckt sich mit den dort anfallenden Kosten, soweit diese notwendig sind (Senatsurt. v. 21.11.2012 – XII ZR 150/10, FamRZ 2013, 203 Rn 15 m.w.N.). Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kosten können sozialhilferechtliche Kriterien zwar einen Anhalt für die Angemessenheit bieten. Wegen der bestehenden Bandbreite von der Sozialhilfe anerkannter Pflegekosten und Kosten der Unterkunft und Verpflegung (sog. Hotelkosten) sowie der unterschiedlichen Investitionskosten können sozialrechtlich und unterhaltsrechtlich anzuerkennende Kosten aber voneinander abweichen (Senatsurt. v. 21.11.2012 – XII ZR 150/10, FamRZ 2013, 203 Rn 16).

[26] Neben den Heimkosten umfasst die Sozialhilfe einen Barbetrag nach § 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Auch insoweit ist unterhaltsrechtlich ein Bedarf anzuerkennen. Ein in einem Heim lebender Unterhaltsberechtigter ist darauf angewiesen, für seine persönlichen, von den Leistungen der ...

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