Danach dürfen wir Folgendes festhalten:

1. Zum Unterhaltsrecht

Soweit es um Unterhaltsgewährung geht, also vor allem in der Lebensphase der Erwerbstätigkeit, hat der unterhaltsbedürftige geschiedene Ehegatte einen nachehelichen Unterhaltsanspruch gegen seinen früheren Ehepartner. Fehlt es an ehebedingten Nachteilen oder entfallen diese später, fällt der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt – gegebenenfalls nach allmählicher Absenkung – nach einer Übergangszeit regelmäßig (vollständig) weg. Nach der Rechtsprechung beträgt diese Übergangszeit bei einer Ehedauer von 15 bis 20 Jahren zwischen 4 und 5 Jahre.[23] Danach steht beiden geschiedenen Ehegatten jeweils (nur) ihr eigenes Erwerbseinkommen für ihren eigenen Lebensunterhalt (voll) zur Verfügung.

[23] Vgl. OLG Celle FamRZ 2008, 1448, 1419; OLG Zweibrücken FamRZ 2009, 49, 50; OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 1160; OLG Saarbrücken NJW-RR 2010, 436 f.; Langheim, FamRZ 2010, 409, 414 Fn 78 m.w.N.

2. Zum Versorgungsausgleichsrecht

Scheiden die früheren Eheleute aber aus dem Erwerbsleben aus, ändert sich das Bild entscheidend:

a) Nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht erhält der eine geschiedene Ehegatte auf Grund des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs zunächst einmal ein Alterseinkommen auf der Basis seines vorangegangenen Erwerbseinkommens, jedoch vermehrt um mindestens den vollen Ausgleich für etwa entgangene oder geringere Rentenanwartschaften während der Ehezeit. Dazu kommt gegebenenfalls noch ein Anspruch gegen den anderen geschiedenen Ehegatten auf Zahlung einer nicht unerheblichen Ausgleichsrente aus schuldrechtlichem Versorgungsausgleich a.F. Demgegenüber erhält der andere Ehegatte (nur) ein Alterseinkommen auf der Basis seines um den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich gekürzten Erwerbseinkommens. Aus diesem gekürzten Alterseinkommen hat er dann gegebenenfalls noch die Ausgleichsrente zu zahlen.

b) Nach dem seit dem 1.9.2009 geltenden Recht erhält der eine geschiedene Ehegatte ein Alterseinkommen, das zwar auch auf seinem vorangegangenen Erwerbseinkommen basiert, aber über einen Ausgleich für etwa entgangene oder geringere Versorgungsanrechte während der Ehezeit noch weit hinausgehen kann. Der andere Ehegatte erhält demgegenüber nur ein Alterseinkommen auf der Basis seines um den nun gegebenenfalls sehr viel weitreichenderen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich n.F. gekürzten Erwerbseinkommens.

3. Ergebnis der vergleichenden Betrachtung

Während des Erwerbslebens berücksichtigt und respektiert das Unterhaltsrecht jetzt – nach einer Übergangszeit – die auf unterschiedlicher Ausbildung und Berufswahl vor der Eheschließung basierenden unterschiedlichen Einkünfte und Lebensstandards der geschiedenen Ehegatten. Nach dem Erwerbsleben soll das dann auf einmal nicht mehr gelten. Der geschiedene Ehegatte mit dem höheren früheren Erwerbseinkommen und mit der (ursprünglich) besseren Altersvorsorge soll dem anderen viele Jahre nach dem Ende der Ehezeit – zwischen der Scheidung und dem Eintritt des Versorgungsfalls liegen oft 20 bis 30 Jahre[24] – und lange Zeit nach dem Ende seiner Unterhaltspflicht plötzlich, nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht, noch eine Ausgleichsrente zahlen oder, nach dem ab 1.9.2009 geltenden Recht, mit einem Alterseinkommen vorlieb nehmen, dessen Maß die Höhe seines früheren Erwerbseinkommens u.U. kaum mehr erahnen lässt. Damit findet nach dem Erwerbsleben, im Alter, viele Jahre nach dem Ende der Ehezeit, dann doch wieder ein teilweiser, gegebenenfalls aber sehr einschneidender Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Lebensstandards der beiden geschiedenen Ehegatten statt.

Der Ehegatte mit dem vormals höheren Erwerbseinkommen, das ihm seit dem Erlöschen seiner Unterhaltspflicht wieder uneingeschränkt zur persönlichen Verfügung stand, muss nun nicht nur die mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben allgemein verbundene spürbare Absenkung seines Lebensstandards hinnehmen, sondern noch eine weit darüber hinausgehende zusätzliche Einbuße verkraften. Demgegenüber kann der andere geschiedene Ehegatte ein Alterseinkommen erhalten, das sein früheres Vollzeit-Erwerbseinkommen noch deutlich übersteigt.

Ein derartiger "Ausgleich" der beiden Lebensstandards soll aber nach der Neuregelung des § 1578b BGB und der darauf gründenden Rechtsprechung zum nachehelichen Aufstockungsunterhalt schon wenige Jahre nach dem Ehezeitende nicht (mehr) stattfinden. Dabei sind die Funktionen von Unterhalt und Versorgungsausgleich ja nicht so unterschiedlich. Die Funktion des Versorgungsausgleichs ist nach Auffassung des zeitgenössischen Gesetzgebers "eher unterhaltsrechtlich geprägt"[25], die schuldrechtliche Ausgleichsrente a.F. hat nach der Rechtsprechung "unterhaltsähnlichen Charakter"[26].

[24] So die Amtliche Begründung (Fn 20), S. 82.
[25] So die Amtliche Begründung (Fn 20), S. 74.
[26] So erst jüngst BGH FamRZ, 2009, 205, 208 m.w.N.

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