§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB regelt bislang nur abstrakt den notwendigen Selbstbehalt. Die konkrete Höhe legen die Oberlandesgerichte im Rahmen ihrer jährlichen Koordinierungsgespräche fest. Dies soll nach dem Eckpunktepapier nunmehr der Gesetzgeber über eine Verordnungsermächtigung übernehmen. Der notwendige Selbstbehalt soll danach alle 2 Jahre im Verordnungswege festgesetzt werden.[22] Dies ist zu begrüßen, weil die Höhe des notwendigen Selbstbehalts erhebliche Auswirkungen für die unterhaltspflichtige Person hat, so dass auch die Festlegung des hierfür maßgeblichen Betrages durch den Gesetzgeber und nicht die Judikative erfolgen sollte.

Der Höhe nach soll sich der notwendige Selbstbehalt an den bisherigen Festlegungen orientieren. Eine gewichtige Änderung sieht das Eckpunktepapier aber dennoch vor. Der im Selbstbehaltssatz bislang enthaltene und bundeseinheitlich geregelte Wohnkostenanteil (derzeit 520 EUR warm) soll zukünftig an die Höchstbeträge für die Miete im Rahmen des Wohngeldes nach § 12 WoGG angeknüpft werden. § 12 Abs. 2 WoGG sieht insgesamt 7 unterschiedliche Mietstufen vor, in die jede Gemeinde bzw. jeder Kreis eingruppiert ist. Hinzu kommt ein fester Heizkostenzuschlag. Daraus ergeben sich derzeit folgende Werte, die überwiegend teils zu einer Erhöhung, teilweise aber auch zu einer Verringerung des notwendigen Selbstbehalts führen:

 
Mietniveau Warmmiete
I 457,40 EUR
II 502,40 EUR
III 548,40 EUR
IV 601,40 EUR
V 650,40 EUR
VI 701,40 EUR
VII 761,40 EUR

Die geplante Bezugnahme auf das WoGG führt zu einer Regionalisierung der Wohnkosten und damit im Ergebnis zu einer Regionalisierung des Selbstbehalts insgesamt. Eine solche Regionalisierung ist schon seit längerem in der unterhaltsrechtlichen Diskussion. Bislang hat sich hierfür aber keine Mehrheit unter den OLG gefunden. Die Leitlinien behalfen sich damit, dass von den im Selbstbehaltssatz reservierten Wohnkosten im Einzelfall nach oben abgewichen werden konnte, wenn anderweitiger Wohnraum zu den im Selbstbehalt reservierten Kosten nicht erlangt werden konnte. Da die tatsächlichen Wohnkosten regional sehr unterschiedlich ausfallen, erscheint es aber angemessen, wenn der Gesetzgeber eine Regionalisierung unmittelbar über den Selbstbehalt vornimmt.

Die Anknüpfung an § 12 WoGG führt allerdings zu einer recht starken regionalen Zersplitterung, denn die Eingruppierung in die einzelnen Mietstufen erfolgt jeweils getrennt nach Gemeinden oder für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern nach Kreisen (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 WoGG). Es kann daher sogar innerhalb eines OLG-Bezirks zur Anwendung einer größeren Anzahl verschiedener Wohnkostensätzen und damit verschieden hohen Selbstbehalten kommen. Dies erscheint hinnehmbar, wird aber zu vermehrten Diskussionen darüber führen, ob nicht eine Umzugsobliegenheit in eine nahe liegende Gemeinde mit geringeren Wohnkosten besteht. Jedenfalls sollte die künftige Regelung zu den Wohnkosten es ermöglichen, im Einzelfall abweichende Kosten anzusetzen, wenn es hierfür ein dringendes Bedürfnis gibt.

Abschließend stellt sich noch die Frage, ob eine Regionalisierung der Wohnkosten für den Pflichtigen nicht auch zu einer Regionalisierung der Wohnkosten des unterhaltsberechtigten Kindes führen müsste. Wohnkosten enthalten nämlich auch die Bedarfssätze der Kindesunterhaltstabelle. Sie sind mit etwa 20 % im Tabellensatz enthalten. Es stellt sich schon die Frage, ob nicht regional unterschiedliche Wohnkosten auch bei der Höhe des Bedarfs des Kindes Berücksichtigung finden sollten. Hiergegen spricht allerdings, dass dies die Unterhaltsbemessung noch komplexer machen würde.

[22] S. 9 des Eckpunktepapiers.

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