Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen begrenzt gemäß §§ 1603, 1581 BGB seine Unterhaltsverpflichtung. Während andere zivilrechtliche Ansprüche in ihrem Bestand regelmäßig nicht davon abhängen, dass der Schuldner über die finanziellen Mittel zu ihrer Erfüllung verfügt und Grenzen zu einer übermäßigen Inanspruchnahme nur durch das Vollstreckungsrecht gezogen werden, geht das Unterhaltsrecht einen anderen Weg. Wird mithin im Rahmen der Bedürftigkeit die Frage geklärt, in welchem Umfang beim Unterhaltsberechtigten ein ungedeckter Unterhaltsbedarf besteht, so begründet dieser für sich noch nicht den Unterhaltsanspruch. Der Unterhaltspflichtige muss darüber hinaus in der Lage sein, den dafür erforderlichen Geldbetrag aufzubringen, d.h. neben seinem Eigenbedarf mit seinen tatsächlich erzielten oder zumutbar erzielbaren Geldmitteln auch den Bedarf des Berechtigten zu befriedigen.[2]

Hintergrund ist das verfassungsrechtliche Gebot der Vermeidung einer unverhältnismäßigen Belastung eines Unterhaltspflichtigen. Das BVerfG hat wiederholt entschieden, dass die Auferlegung von Unterhaltsleistungen den Pflichtigen in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit einschränkt. Der zugesprochene Unterhalt darf daher nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen führen. Wird die Grenze des Zumutbaren überschritten, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Pflichtigen im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung.[3]

Primär muss der Unterhaltsschuldner also in der Lage sein, seinen eigenen Bedarf zu decken und damit seine Existenz zu sichern,[4] so dass er durch die Unterhaltsleistung nicht seinerseits sozialhilfebedürftig wird.[5] Nur wenn der Unterhaltsschuldner über mehr als die erforderlichen Mittel zur eigenen Versorgung verfügt, muss er die Versorgung Dritter gewährleisten. Welcher Betrag ihm konkret zu belassen ist, richtet sich dabei nach der Stärke der jeweiligen Unterhaltspflicht und damit auch nach der Rangstelle des Berechtigten gemäß § 1609 BGB. Dementsprechend gilt gegenüber minderjährigen Kindern und den diesen gleichgestellten privilegiert volljährigen Kindern eine gesteigerte Leistungsverpflichtung. Der dem Unterhaltsschuldner als Selbstbehalt zu belassende Betrag deckt mit dem notwendigen Selbstbehalt dessen eigenen Lebensbedarf lediglich nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen.[6]

Außerdem gilt das Prinzip strikter zeitlicher Kongruenz zwischen Anspruch und Leistungsfähigkeit,[7] d.h. soweit in einer Unterhaltsperiode keine Leistungsfähigkeit besteht, besteht kein Anspruch. Dieser lebt auch dann nicht wieder auf, wenn er aus einem später erzielten Einkommen befriedigt werden könnte.

[2] BGH FamRZ 2022, 180; OLG Oldenburg FamRZ 2022, 790.
[3] BVerfG FamRZ 2007, 273; FamRZ 2002, 1397; FamRZ 2001, 1685.
[4] BVerfG FamRZ 2001, 1685.

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