Das BMJ stellt ein Berechnungsmodell für den Kindesunterhalt vor, wenn der nicht hauptsächlich betreuende Elternteil eine substantielle Mitbetreuung des Kindes leistet. Ausgehend vom Kindesunterhalt, berechnet nach beiden Elterneinkommen, wird ein fester pauschaler Betrag von 15 % abgezogen, der den Aufwand des mitbetreuenden Elternteils für Nahrung, Freizeit, Bildung, Verkehr usw. abdeckt und damit zwangsläufig zu einer Kostenersparnis beim hauptbetreuenden Elternteil führt.

Entsprechend den Leitlinien der Oberlandesgerichte wird der Haftungsanteil ermittelt und mit einem festen Betreuungsanteil von 33 % gemittelt. Vom rechnerischen Ergebnis wird dann die Hälfte des Kindergeldes in Abzug gebracht. Das vom BMJ vorgestellte Berechnungsschema erfüllt die Vorgaben der Rechts- und Beratungssicherheit:

Das Schema ist einfach zu handhaben und damit ausgesprochen praxisfreundlich. Die Berechnung des Kindesunterhalts auf der Grundlage des gemeinsamen Elterneinkommens sowie das Ermitteln der Haftungsquote sind tägliches Brot des Praktikers. Die beiden Parameter, die dazu dienen, die Betreuungszeit des anderen Elternteils zu erfassen, sind invariabel: der pauschale Abschlag am Bedarf des Kindes von 15 % sowie der Betreuungsanteil mit 33 %. Der Pauschalierung mag der Einwand der Einzelfallgerechtigkeit entgegengehalten werden. Allerdings wird in der Praxis derzeit weder der Aufwand des Mitbetreuenden noch der Betreuungsanteil exakt bestimmt und derart in Berechnungen einbezogen. Das pauschalierende Modell wird zugleich durchaus auch vom informierten Laien verstanden und für die Berechnung herangezogen werden können und so zu mehr Rechtssicherheit führen.
Das Berechnungsmodell erfasst die Betreuungsleistung des nicht hauptbetreuenden Elternteils unabhängig vom tatsächlich erbrachten Betreuungsanteil, was aus der Perspektive des Praktikers den unbestreitbaren Vorteil für sich hat, dass damit Auseinandersetzungen um den Umfang des realen Betreuungsanteils mit dem Ziel, den Kindesunterhalt zu senken, der Wind aus den Segeln genommen wird. Von Mandanten gerne aufgestellte Tabellen über die tatsächlich geleisteten Betreuungszeiten werden damit bedeutungslos. Die reale Betreuungsdauer im Einzelnen hat auf die Höhe des Kindesunterhalts keinen Einfluss. Der gerne vor Gericht geführte Streit um den Umfang der erbrachten Betreuungsleistungen wird damit hinfällig. Allerdings sieht der DAV die Gefahr des strategischen Missbrauchs: Der Verpflichtete könnte den bisherigen Betreuungsmodus reduzieren, weil ein Mehr an Betreuung keinen wirtschaftlichen Nutzen abwirft. Gleichermaßen könnte der hauptbetreuende Elternteil ein Mehr an Betreuung verhindern wollen, weil damit bereits ab >29 % der Mitbetreuung weniger an Barunterhalt gezahlt wird. Solche Aktionen könnten als nicht im Sinne des Kindesinteresse entlarvt werden – unabhängig von der Art der Berechnung lassen sie sich aber nicht vermeiden.

Nicht auf den ersten Blick erschließt sich der Zweck der Anlage 1 im Verhältnis zur Anlage 2 des Eckpunktepapiers. Die erstere enthält beispielhaft dargestellte Betreuungsquoten auf der Grundlage der vom Kind beim nicht schwerpunktmäßig betreuenden Elternteil verbrachten Nächte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Schulferien von jährlich 14 Wochen. Ob die dargestellten Betreuungsquoten einen Bezug oder Einfluss auf das Berechnungsmodell gemäß Anlage 2 haben, lässt sich dem Text des Eckpunktepapiers nicht ohne Weiteres entnehmen.

Der DAV regt zum besseren Verständnis des Anlagenduetts an, explizit auf die doppelte Rolle der Anlage 1 hinzuweisen: Sie soll es zum einen ermöglichen, modellhaft an Hand der verbrachten Nächte den prozentualen Betreuungsanteil des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils zu ermitteln, und dient weiter dazu, herauszufinden, ob ein konkreter Betreuungsmodus den Anwendungsbereich des sog. asymmetrischen Wechselmodells eröffnet, nämlich dann, wenn der tatsächlich praktizierte Betreuungsanteil zwischen >29 % und <49 % liegt.

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