Art. 6 Abs. 2 GG betrifft das Elternrecht und die Elternpflicht: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft." Besonderen Schutz gewährt das Grundgesetz nach Art. 6 Abs. 3 GG bei fachgerichtlichen Entscheidungen, die mit der Trennung des Kindes von der Familie einhergehen: "Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen."

Umgekehrt hat das Kind allerdings einen Anspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit), Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) i.V.m. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG auf Schutz durch den Staat, wenn Eltern in einer das Wohl des Kindes bedrohenden Weise ihrer Erziehungsverantwortung nicht nachkommen.[23] Im Einzelfall können dieser Schutzanspruch des Kindes einerseits und das durch Art. 6 Abs. 2 S 1 GG – gegebenenfalls verstärkt durch die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 3 GG gewährleistete Elternrecht andererseits miteinander in Konflikt stehen. Es ist dann Sache der Fachgerichtsbarkeit anhand des maßgeblichen Fachrechts (insb. §§ 1666, 1666a BGB) unter Berücksichtigung der möglicherweise kollidierenden Grundrechtsgewährleistungen eine Sorgerechtsentscheidung zu treffen. Art und Intensität des mit der fachgerichtlichen Entscheidung verbundenen Eingriffs in die betroffenen Grundrechtspositionen bestimmen den anzuwendenden verfassungsrechtlichen Maßstab.

[23] Vgl. dazu aus jüngerer Zeit etwa BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer des Ersten Senats v. 12.2.2021 – 1 BvR 1780/20, Rn 26 m.w.N.

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