Problemstellung

In dem Verfahren geht es um die Wirksamkeit einer im Rahmen eines gemäß § 107 FamFG geführten Anerkennungsverfahrens zu beurteilenden, vor einem geistlichen Shari'a-Gericht in Syrien vollzogenen einseitigen Verstoßungsscheidung (sog. Privatscheidung). Eine Privatscheidung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur auf der Willenserklärung eines (oder auf einem vertragsähnlichen rechtsgeschäftlichen Konsens beider) Ehegatten beruht – und zwar auch dann, wenn diese unter Mitwirkung einer ausländischen Behörde (bspw. durch Registrierung oder Beurkundung) zustande gekommen ist.[1]

Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe geschieden worden ist, werden nach § 107 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1, Abs. 4 FamFG in Deutschland auf entsprechenden Antrag hin anerkannt,[2] wenn die Landesjustizverwaltung des Landes, in dem ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, feststellt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen. Stellt die Landesjustizverwaltung fest, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen, kann der Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hat, gemäß § 107 Abs. 6 S. 1 FamFG beim OLG die Entscheidung beantragen.

Sachverhalt

Die Beteiligten, seit ihrer Geburt syrische Staatsangehörige, schlossen 1999 in Homs, Arabische Republik Syrien, die Ehe. Der Ehemann, Beteiligter zu 1, besitzt nach seiner Einbürgerung in Deutschland 1977 die syrische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Beteiligte zu 2 erwarb nach der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit. Auf Antrag des Beteiligten zu 1 hat im Mai 2013 das geistliche Gericht zu Latakia/Syrien aufgrund von Shari'a die Scheidung der Ehe festgestellt. Der Präsident des OLG München hat im November 2013 dem Antrag des Beteiligten zu 1 auf Anerkennung der Ehescheidung entsprochen. Die Beteiligte zu 2 hat sich 2014 gegen die Anerkennung gewandt und eine Entscheidung des OLG München beantragt. Dieses hat dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Frage vorgelegt, ob der Anwendungsbereich nach Art. 1 der Rom III-VO auch für Fälle einer sog. Privatscheidung eröffnet ist, was der EuGH (Rechtssache Sahyouni ./. Mamisch) verneint hat.[3] Auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH hat das OLG München am 14.3.2018 eine Anerkennung der Privatscheidung abgelehnt.[4]

Die sog. Privatscheidung nach syrischem Recht

Unter einer Privatscheidung nach syrischem Recht versteht man eine Scheidung durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem Geistlichen Gerichtshof aufgrund der Schari'a. Das syrische Eherecht erkennt im zweiten Buch des Personalstatutsgesetzes (Dekretgesetz über das Personalstatut, PStG – Auflösung der Ehe)[5] drei Formen der Scheidung an: neben der gerichtlichen Scheidung (Art. 105 ff. PStG) und der einvernehmlichen (Privat-) Scheidung (Art. 95 ff. PStG) auch die einseitige (Privat-) Scheidung (Art. 85 ff. PStG). Mit Vollendung des 18. Lebensjahres erlangt (nur) der Ehemann das uneingeschränkte Recht (Art. 85 Abs. 1 PStG), sich von seiner Frau (mit der er in gültiger Ehe lebt, so Art. 86 PStG) durch eine ihr gegenüber (einseitig) mündlich oder in Schriftform ausgesprochene Scheidungserklärung zu scheiden (Art. 87 Abs. 1 PStG). Gelangt ein entsprechender Fall einer einseitigen Scheidung vor das Gericht, so setzt der Richter nach Art. 88 PStG die Verhandlung für die Dauer eines Monats aus, um den Parteien die Gelegenheit zu einer Versöhnung (sulh) zu geben. Wenn nach Fristablauf der Ehemann auf seinem Scheidungsverlangen beharrt, lädt der Richter die Parteien zu einem Anhörungstermin, in dem er sich um die Beilegung der Streitigkeit und die Aufrechterhaltung der Ehe bemüht. Zu diesem Zweck bedient er sich der Mitwirkung ihm geeignet erscheinender Verwandter der Ehegatten oder auch dritter Personen. Scheitert der Aussöhnungsversuch, veranlasst der Richter die Registrierung der einseitigen Scheidung, die dadurch rückwirkend zum Zeitpunkt ihrer Vornahme an wirksam wird.

Die Scheidung erfolgt nach Art. 91 PStG in der Weise, dass der Ehemann seiner Frau gegenüber dreimal die Scheidungsformel ausspricht.

Eine Scheidung ist gemäß Art. 94 PStG grundsätzlich widerruflich mit der Folge, dass sie die Ehe nach Art. 118 Abs. 1 PStG zunächst nicht beendet. Vielmehr hat der Mann das Recht, seine geschiedene Frau während einer Wartefrist (Art. 121 ff. PStG) durch entsprechende Handlungen oder Worte wieder zu sich zu nehmen. Die Scheidung wird unwiderruflich, und das Recht, die Frau wieder zu sich zu nehmen, erlischt, wenn die Wartefrist nach einer widerruflichen Scheidung verstreicht.

Der Fall einer einseitigen Erklärung der Scheidung nach Art. 85 ff. PStG führt zur konstitutiven Auflösung der Ehe durch den Ausspruch der Scheidungsformel – auch wenn dies unter Mitwirkung eines Richters geschieht. Es handelt sich insoweit um eine Privatscheidung.[6]

Anwendbarkeit der Rom III-VO auf eine Privatscheidung

Auf den zweiten Vorlagebeschluss des OLG München vom 29.6.2016[7] hin hat der EuGH mit Urteil vom 20.12.2017[8] (Rechtssache S...

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