a) Art. 6 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (sog. Dublin-III-Verordnung) ist seit 1.1.2014 in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht und verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass ein unbegleiteter Minderjähriger von einem Vertreter, der über eine entsprechende Qualifikation und Rechtskenntnisse verfügt, vertreten wird, "um zu gewährleisten, dass dem Wohl des Minderjährigen während der nach dieser Verordnung durchgeführten Verfahren Rechnung getragen wird" (insoweit noch ebenso OLG Bamberg FamRZ 2016, 152). b) Ein allgemeiner Rechtssatz, dass die nach europäischem Recht vorgesehene sachkundige Vertretung eines unbegleiteten Jugendlichen "grundsätzlich durch das Jugendamt als Vormund gewährleistet" ist (BGH NJW 2014, 865 obiter dictum Rn 9; kritisch Heiß, NZFam 2014, 806; Riegner, NZFam 2014, 150 ff., 153), lässt sich nicht aufstellen, denn die notwendige Feststellung einer tatsächlichen Eignung für den Wirkungskreis der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten darf nicht durch die bloße Forderung, das Jugendamt müsse die Fähigkeit haben oder entsprechende Hilfen in Anspruch nehmen, ersetzt werden (Etzold, FamRZ 2016, 609; a.A. OLG Bamberg FamRZ 2016, 152 im Widerspruch zu o.a. Prämisse und OLG Nürnberg NJW 2016, 720). c) Da es die europäischen Institutionen für erforderlich halten, speziell die unbegleiteten Jugendlichen in Asyl- und Ausländerfragen besser zu schützen, weshalb der zu bestellende Vertreter selbst über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen muss (LS 1; Etzold, FamRZ 2016, 609, 610 f.), verbieten sich bei der Eignungsprüfung im Rahmen der Auswahl von Vormund bzw. Mitvormund nach §§ 1775, 1779 BGB. Vergleiche mit anderen Angelegenheiten ohne solche Anforderungen und bei anderen Personenkreisen, z.B. auch den mit Eltern eingereisten Jugendlichen. d) Ein Amtsvormund ohne spezielle ausländer- und asylrechtliche Kenntnisse kann regelmäßig nicht beurteilen, welche aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen sind, um den ausländerrechtlichen Status für den Minderjährigen zu klären und zu sichern, um im Interesse des Mündels bestmöglich zu handeln (vgl. Erb-Klünemann/Kößler, FamRB 2016, 160 ff., 164). e) Das Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Annahme eines besonderen Grundes im Sinne des § 1775 S. 2 BGB ist nicht deshalb verletzt, weil gesellschaftlich bedingt statistisch steigende Fallzahlen wegen vermehrter Asylbewerber zu häufigerer Anordnung von Mitvormundschaft führen (entgegen OLG Frankfurt NZFam 2014, 806; Gonzalez Mendez de Vigo, JAmt 2014, 170), denn dies ändert nichts daran, dass es in rechtlicher Hinsicht eine Ausnahmefallkonstellation bleibt (Schwamb, JAmt 2014, 347; ähnlich Bienwald, FamRZ 2013, 1208, 1209). (OLG Frankfurt, Beschl. v. 2.6.2016 – 6 UF 121/16, FamRZ 2016, 1597)

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