Leitsatz (amtlich)

Ist das Jugendamt als Amtsvormund der Auffassung, ihm fehle für die Vertretung eines unbegleiteten Jugendlichen in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten die juristische Sachkunde, rechtfertigt dies nicht die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Mitvormund oder als Ergänzungspfleger.

 

Normenkette

BGB §§ 1775, 1909 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Ansbach (Beschluss vom 24.09.2015; Aktenzeichen 4 F 1222/15)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes W. S. wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Ansbach vom 24.9.2015, Aktenzeichen 4 F1222/15 aufgehoben.

II. Der Antrag des Landratsamts X - Amt für Jugend und Familie vom 15.09.2015 i.V.m. dem Antrag vom 4.11.2015, für den Betroffenen M. Q., geboren am 1.1.1998, Rechtsanwalt R. F.,... als Ergänzungspfleger für aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten einzusetzen, wird zurückgewiesen.

III. Von einer Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.

IV. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit Beschluss des AG München vom 24.6.2015 wurde das Landratsamt X - Amt für Jugend und Familie - zum Vormund für den Betroffenen M. Q., geboren am 1.1.1998, bestellt. Am 21.7.2015 wurde durch den Amtsvormund für den Betroffenen ein Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt. Die Anhörung zum Asylantrag fand am 30.09.2015 in der Außenstelle Würzburg statt.

Mit Antragsschrift vom 15.9.2015 an das AG - Familiengericht - Ansbach, Aktenzeichen 4 F 1222/15, hat das Landratsamt X - Amt für Jugend und Familie - für den Betroffenen M. Q. die Bestellung eines Rechtsbeistandes beantragt und hierzu Rechtsanwalt W. S.,... vorgeschlagen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Vorbringen des Mündels, seine Familie lebe seit drei Generationen mit kurzen Unterbrechungen illegal in Iran, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht geglaubt und dort unterstellt werde, dass er die iranische Staatsangehörigkeit besitze. Aufgrund der schwierigen Sach- und Rechtslage zur Klärung der Staatsangehörigkeit des Mündels im Asylverfahren sei daher die Bestellung eines Rechtsbeistandes erforderlich.

Mit Beschluss vom 24.9.2015, Az. 4 F 1222/15, hat das AG-Familiengericht-Ansbach für den Betroffenen M. Q., geboren am 1.1.1998, Rechtsanwalt S.,..., als Mitvormund mit dem Wirkungskreis "Regelung der Asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten" bestellt und bestimmt, dass dieser die Mitvormundschaft berufsmäßig ausübt.

Der Beschluss wurde dem bestellten Mitvormund formlos am 24.9.2015 übersandt.

Mit Schriftsatz vom 29.9.2015, eingegangen bei Gericht am 1.10.2015, hat Rechtsanwalt W. S. Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Ansbach vom 24.9.2015 eingelegt.

Der Beschwerdeführer macht sein Recht zur Ablehnung der Bestellung zum Mitvormund gemäß § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter Hinweis auf sein bereits vollendetes 60. Lebensjahr geltend und beantragt, die Bestellung zum Mitvormund aufzuheben.

Das Landratsamt X - Amt für Jugend und Familie - ist der Beschwerde des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 4.11.2015 beigegetreten. Es hat beantragt, Rechtsanwalt R. F.,... als Ergänzungspfleger für Aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten einzusetzen.

II. Die gemäß § 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich aus § 59 Abs. 1 FamFG. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde ausdrücklich in seiner Eigenschaft als bestellter Mitvormund eingelegt und macht unter Hinweis auf das Ablehnungsrecht nach § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB eigene, durch die Bestellung betroffene Rechte geltend.

Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung des Antrags des Landratsamts X - Amt für Jugend und Familie auf Einsetzung eines Ergänzungspflegers für Aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten für den Betroffenen M. Q., geboren am 1.1.1998.

1. Der angefochtene Beschluss konnte ungeachtet der Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bestellung eines Mitvormundes nach § 1775 BGB vorliegen (dazu nachfolgend unter Ziff. 3.), schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Beschwerdeführer als gerichtlich bestellter Mitvormund in zulässiger Weise von seinem Ablehnungsrecht gemäß § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB Gebrauch macht.

Danach kann die Übernahme der Vormundschaft ablehnen, wer das sechzigste Lebensjahr vollendet hat. Der Beschwerdeführer ist ausweislich seines mit Schreiben vom 19.10.2015 in beglaubigter Kopie vorgelegten Personalausweises am... 1953 geboren und somit bereits 62 Jahre alt.

Der Geltendmachung des Ablehnungsrechts nach § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB steht auch nicht der Ausschlussgrund des § 1786 Abs. 2 BGB entgegen. Danach erlischt das Ablehnungsrecht, wenn es nicht vor der Bestellung beim Familiengericht geltend gemacht wird. Im vorliegenden Fall hat das Familiengericht den Beschwerdeführ...

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