Carl/Clauß/Karle2015, 275 Seiten, 39 EUR, Verlag C.H. Beck

Die Autoren haben ein Werk vorgelegt, das sich an alle Professionen richten soll, die in irgendeiner Form mit der Anhörung von Kindern in familiengerichtlichen Verfahren befasst sind. Diesem Anspruch werden sie auch uneingeschränkt gerecht, dank der eigenen Bandbreite der im Autorenteam vertretenen Berufsbilder. Gerade die komprimierte Darstellung der sowohl aus juristischer als auch psychologischer Sicht bei der Kindesanhörung essentiellen Aspekte macht den besonderen Wert dieses Buches aus und bietet dem Praktiker die Möglichkeit, notwendige Informationen zielgenau und zeitsparend zu ermitteln.

Die in der Einleitung enthaltene historische Übersicht zur Entwicklung der Kinderrechte leitet ebenso konsequent auf die eigentliche Thematik hin wie die dort vorgenommene Interpretation des Begriffes der "Anhörung". Bereits hier wird ein offensichtlich zentrales Anliegen der Autoren deutlich – die Kritik an der nicht zureichenden Aus- und Fortbildung der Richter mit Blick auf die Besonderheiten des kindschaftsrechtlichen Verfahrens. Diese Problematik wird in Kapitel 6 erneut aufgegriffen. Unter sorgfältiger Darstellung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wird herausgearbeitet, dass gerade die den Familienrichtern verstärkt obliegenden mediativen Aufgaben die bestehenden Defizite bei der Umsetzung der in der Rechtsprechung formulierten Maßstäbe verdeutlichen. Die Autoren beschränken sich hierbei allerdings nicht nur auf kritische Anmerkungen, sondern unterbreiten auch konkrete Vorschläge, wie diesen Defiziten bei der Ausgestaltung von Fortbildungen entgegengewirkt werden kann.

Nach einem Literaturüberblick werden in Kapitel 2 die rechtlichen Grundlagen und praktischen Fragen der Kindesanhörung dargestellt. Neben den supranationalen Rechtsgrundlagen der Kinderrechte wird die nationale Rechtsentwicklung bis zum Inkrafttreten des FamFG aufgezeigt. Mit Blick auf die zentrale Vorschrift des § 159 FamFG werden Zielsetzung und Funktion der Kindesanhörung aus juristischer Sicht erläutert. Die Darstellung des materiell- und verfahrensrechtlichen Anwendungsbereichs dieser Norm wird begleitet von einer umfassenden Rechtsprechungs- und Literaturübersicht zu typischen Fragen, wie etwa dem Zeitpunkt der Kindesanhörung, der Kindesbeteiligung in Mediationsverfahren, aber auch der Beachtlichkeit des Kindeswillens unter dem Stichpunkt etwaiger Manipulationen. Den Autoren gelingt es durchgängig, ihr Buch auf die Bedürfnisse der Praxis zu fokussieren, etwa durch die Kasuistik zur Frage, wann von einer Kindesanhörung abgesehen werden kann. Hervorzuheben sind ebenso die Formulierungsbeispiele eines Gesprächs mit Kindern, um bei diesen Ängste und Befürchtungen auszuräumen oder letztlich die konkrete Fassung eines Anhörungsvermerks, wobei auch hier wiederum die zu dieser Thematik bestehende Rechtsprechung dargestellt wird – einschließlich kritischer Anmerkungen der Autoren. Abgerundet wird das Kapitel durch Bezüge zum ausländischen Recht, etwa auch zu der Frage der Wirksamkeit ausländischer Entscheidungen, die ohne Kindesanhörung ergingen.

In Kapitel 3 werden sodann die psychologischen Grundlagen der Anhörung dargestellt. Wesentliche Stichpunkte sind dabei der Kindeswille in seiner Entwicklung und seinen Voraussetzungen zur Entscheidungsrelevanz, der Bindungsbegriff im Sinne der Bindungstheorie, stressauslösende Belastungen für Kinder, Kommunikationsbedingungen in der Kindesanhörung, mögliche Suggestionsanfälligkeiten von Kindern, aber auch deren Zeitbegriff.

Das nächste Kapitel richtet sich sodann auf den äußeren Rahmen der Kindesanhörung. Ausgehend von der Zielsetzung der Anhörung aus Sicht des Kindes selbst, des Richters aber auch der Eltern, werden Handlungsempfehlungen für die Praxis dargestellt, wie etwa die Anhörungsvorbereitung, die konkrete Anhörungssituation sowie der Vermittlung des Ergebnisses an die Eltern. Gerade zu der konkreten Anhörungssituation geben die Autoren Hinweise zu deren kindgerechten Gestaltung, verbunden mit umfangreichen Formulierungsbeispielen etwaiger Fragen, aber auch Fragemethoden und Fragetechniken. Auch mit dem Problem, in welchem Maß ein Kind durch die Anhörung belastet wird, setzen sich die Autoren auseinander. Auf diese Ausführungen wird jeder Praktiker gerne zurückgreifen, der Eltern davon überzeugen muss, dass diese Situation für ihr Kind keine unvertretbare Belastung darstellt.

In Kapitel 5 wird sodann der Inhalt der Kindesanhörung näher erläutert. Auch hier arbeiten die Autoren mit praktischen Formulierungsbeispielen zu möglichen Fragestellungen, durch die die Kindeswohlkriterien geprüft werden können, wie etwa der Kindeswille, seine Neigungen oder Bindungen. Präzisiert werden diese Beispielsfragen zu besonderen familienrechtlichen Konstellationen, etwa wenn es um die elterliche Sorge geht, ein Umgangsrecht, die Adoption eines Kindes oder dessen Unterbringung.

Neben den in Kapitel 7 und 8 enthaltenen Darstellungen des materiellen und for...

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