I. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Dem Kläger steht entgegen der Auffassung des Landgerichts ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 12.765,00 EUR gegen die Beklagte aus anwaltlicher Pflichtverletzung zu. Denn der Beklagten ist eine schuldhafte Verletzung ihrer Pflichten aus dem mit dem Kläger geschlossenen Anwaltsdienstvertrag anzulasten. Keinen Erfolg hat die Klage lediglich, soweit der Kläger mit dieser auch einen Betrag in Höhe von 1.925,13 EUR für aufgelaufene Zinsen begehrt.

II. Der Beurteilung des LG, die beklagte Rechtsanwältin habe die unterhaltsrechtliche Angelegenheit des Klägers fehlerfrei bearbeitet, folgt der Senat nicht. Das Gegenteil ist richtig, so dass die Beklagte wegen der schuldhaften Verletzung der sie treffenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag dem Kläger auf Schadensersatz haftet, §§ 675, 611, 276, 280, 249 ff. BGB.

1. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Mandatsverhältnis mit dem Kläger in objektiver Hinsicht verletzt. Denn sie hat den Kläger pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass sein Sohn mit der Vollendung des 18. Lebensjahres einen Anspruch auf Grundsicherung hat, und es pflichtwidrig unterlassen, die gegen den Sohn erhobene Abänderungsklage auf diesen Gesichtspunkt zu stützen.

a) Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsvertrages in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (BGH MDR 1998, 1378; MDR 1996, 2648 f.; vgl. auch BGH NJW 2009, 1141; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn 482 m.w.N.) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993, 1376; WM 2007, 419; NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560; NJW 2009, 2949).

b) Auftrag der Beklagten war es hier, eine Abänderung der Kindesunterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber seinem am 12.7.1988 geborenen Sohn zu erreichen. Wie die Beklagte selbst vorträgt, beauftragte sie der Kläger, nachdem dieser im August 2005 im Wege seiner beruflichen Neuorientierung in den Vorbereitungsdienst für das Lehramt eingetreten war und Aussicht auf einen Verdienst von lediglich knapp 1.000 EUR brutto hatte, auch mit der Abänderung seiner Kindesunterhaltsverpflichtung. Dementsprechend erweiterte die Beklagte die vor dem AG Korbach (7 F 125/05 UE) zunächst allein gegen die geschiedene Ehefrau des Klägers erhobene Abänderungsklage mit Schriftsatz vom 3.11.2005. Der Kläger wollte ersichtlich eine Abänderung seiner titulierten Kindesunterhaltsverpflichtung erreichen, und zwar – wie sich aus dem im Abänderungsverfahren mit Schriftsatz vom 12.12.2005 im Wege der Klageerweiterung angekündigten, später allerdings wieder geänderten Abänderungsantrag ergibt – möglichst so weit, dass er keinen weiteren Unterhalt an seinen Sohn mehr zahlen musste.

c) Zur Erreichung dieses Ziels hätte die Beklagte berücksichtigen müssen, dass der am 12.7.1988 geborene Sohn des Klägers mit der Vollendung des 18. Lebensjahres im Juli 2006 einen Anspruch auf Grundsicherung hatte.

aa) Seit dem 1.1.2003 erhalten bedürftige Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder die als Volljährige auf Dauer voll erwerbsgemindert sind, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Grundlage war zunächst das zum 1.6.2003 in Kraft getretene Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG). Im Zuge der Reform der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe wurde die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 1.1.2005 als §§ 41 ff. in das SGB XII überführt.

Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung haben danach Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und zugleich dauerhaft voll erwerbsgemindert sind (§ 41 Abs. 2 SGB XII) und ihren Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen können (§ 42 Abs. 2 SGB XII). Dabei bleiben Unterhaltsansprüche gegenüber Eltern und Kindern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen weniger als 100.000 EUR beträgt (§ 43 Abs. 2 S. 1 SGB XII).

Zum Verhältnis von Unterhalt und Grundsicherung hat der BGH in der Entscheidung vom 20.12.2006 (XII ZR 84/04, NJW-RR 2007, 1513 = FamRZ 2007, 1158) grundsätzlich Stellung genommen. Er hat klargestellt, dass Leistungen de...

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