Vornehmlich die Haftung der Eltern macht es erforderlich, den sog. Elementarbedarf nach den Tabellenbeträgen der DT von etwaig hinzutretendem Mehr- oder Sonderbedarf abzugrenzen. Neben die Tabellenbeträge, die den Regelbedarf abdecken, kann ein Mehrbedarf für solche Bedarfspositionen treten, welche ihrer Art nach nicht in den Tabellenbedarf und mithin auch nicht in die Steigerungsbeträge einkalkuliert sind. An diesem hat sich der betreuende Elternteil grundsätzlich zu beteiligen, weil insoweit eine Befreiung vom Barunterhalt nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB nicht eingreift.[26]

Die Haftungsanteile für einen Mehrbedarf sind nach den Grundsätzen der teilschuldnerischen Haftung der Eltern gemäß § 1606 Abs.3 S. 1 BGB zu bestimmen. Dabei ist vor der Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte generell ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen.[27]

Nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften die Eltern insoweit nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen.[28]

Entsprechendes gilt für den Sonderbedarf nach Maßgabe des § 1613 Ab. 2 Nr. 1 BGB. Um einen Bedarf als Sonderbedarf qualifizieren zu können, muss es sich dabei um einen Bedarf handeln, der überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar auftritt. Unregelmäßig im Sinne von § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist also nur der Bedarf, der nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deswegen bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte. Wann ein in diesem Sinne unregelmäßiger Bedarf zugleich außergewöhnlich hoch ist, lässt sich hingegen nicht nach allgemein gültigen Maßstäben festlegen; vielmehr kommt es insoweit auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Höhe der laufenden Unterhaltsrente und die sonstigen Einkünfte des Berechtigten, auf den Lebenszuschnitt der Beteiligten sowie auf den Anlass und den Umfang der besonderen Aufwendungen. Letztlich richtet sich die Frage, ob ein Bedarf außergewöhnlich hoch ist, danach, ob und inwieweit dem Berechtigten, wenn der Verpflichtete an sich leistungsfähig ist, bei einer Gesamtbetrachtung zugemutet werden kann, den Bedarf selbst zu bestreiten.[29]

Bei der Berechnung der Haftungsanteile muss der neuen Rechtsprechung des BGH zur Bedarfsbemessung bei dem Unterhalt für minderjährige Kinder Rechnung getragen werden. Der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder kommt es auf die Lebensstellung beider Eltern an. Die Unterhaltsverpflichtung des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist jedoch auf den Betrag begrenzt, den er aufgrund des von ihm allein erzielten Einkommens zahlen müsste.[30]

Dies hat in den Fällen, in denen der betreuende Elternteil für den Mehr- oder Sonderbedarf verfügbare Einkünfte besitzt, zur Konsequenz, dass von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils der Barunterhaltsbedarf eines minderjährigen Kindes nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen ist. In dieser Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen.[31]

[26] BGH, Beschl. v. 16.9.2020 - XII ZB 499/19, NJW 2020, 3721 m. Anm. Born = FamRZ 2021, 28 Rn 24 m. Anm. Borth = FF 2021, 28; zu Privatschulkosten als Mehrbedarf s. OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.5.2021 – 9 UF 174/20, BeckRS 2021, 12899.
[27] BGH, Beschl. v. 10.7.2013 – XII ZB 298/12, NJW 2013, 2900 = FamRZ 2013, 1563 Rn 12 m.w.N.= FF 2013, 500 LS. m. Anm. Bömelburg.
[30] BGH, Beschl. v. 16.9.2020 - XII ZB 499/19, NJW 2020, 3721 m. Anm. Born = FamRZ 2021, 28 Rn 14 m.w.N.
[31] BGH, Beschl. v. 18.5.2022 – XII ZB 325/20, NJW 2022, 2470 m. Anm. Obermann = BeckRS 2022, 16793; kritisch zu dieser Rspr. Schürmann, FF 2022, 363 sowie Götz/Seiler, FamRZ 2022, 1338.

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