1. Fall 1: Erstverfahren – Ablehnung des Unterhalts

a) Entscheidung

Völlige Abweisung des Erstantrags nach § 258 ZPO des Gläubigers, weil die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fehlen.

Der Gläubiger muss einen neuen Erstantrag nach § 258 ZPO erheben.

Grund: Wenn gegenwärtig kein Unterhaltsanspruch vorhanden ist, der ja erst mit dem Eintritt der Unterhaltsvoraussetzungen entsteht, fehlt die Möglichkeit, mit diesem "auch" die künftigen Ansprüche nach § 258 ZPO zu einem einheitlichen Recht zu verbinden und zum Gegenstand einer Prognoseentscheidung zu machen.[1]

[1] BGH FamRZ 1982, 259 = NJW 1982, 578; FamRZ 2005, 101 = NJW 2005, 142.

b) Vergleich

Einigkeit der Parteien, dass die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nicht vorliegen.

Der Gläubiger muss den Erstantrag nach § 258 ZPO ergreifen; denn mangels gegenwärtig bestehenden gesetzlichen Anspruchs werden auch die künftigen Ansprüche nicht materiellrechtlich zu einem einheitlichen Recht auf künftig fällig werdende Ratenzahlungen auf gesetzlichen Unterhalt verbunden und von den Parteien aufgrund einer Prognose beurteilt.

2. Fall 2: Erstverfahren – Titel über Teilanspruch

a) Entscheidung

Eine Entscheidung über einen Teil des Anspruchs liegt vor, wenn gemäß dem auf einen bestimmten Zeitraum begrenzten Verlangen Unterhalt zugesprochen oder in einem Vergleich vereinbart wird oder bei Titulierung eines Betrags über einen freiwillig gezahlten Unterhalt hinaus.

Der Gläubiger muss für einen ergänzenden Unterhalt einen Erstantrag nach § 258 ZPO erheben.[2]

b) Vergleich

Für den Gläubiger ist in den genannten Fällen nur der Antrag nach § 258 ZPO statthaft, weil nur ein Teilanspruch tituliert ist.[3]

Ist ein Unterhaltsanspruch tituliert, gleich ob in einer Entscheidung oder in nichtrechtskraftfähiger Form, spricht die Vermutung dagegen, dass es sich nur um einen Teil des Anspruchs handelt, und dafür, dass der gesamte Anspruch geregelt ist.

[3] BGH FamRZ 2009, 314 = NJW 2009, 1410 zur Jugendamtsurkunde.

3. Fall 3: Erstverfahren – Titulierung des vollen Unterhalts

a) Entscheidung

Dem Erstantrag des Gläubigers nach § 258 ZPO wird voll stattgegeben.

aa) Der Gläubiger muss einen Abänderungsantrag nach § 238 FamFG erheben. Nach dieser Vorschrift ist jeder Wunsch auf Abänderung einer Rentenentscheidung zu beurteilen, gleich ob im Einzelfall eine formelle Rechtskraft zu durchbrechen ist oder nicht.[4]

(1) Gestützt auf nachträgliche Veränderung der Verhältnisse

(2) Nach zulässiger Eröffnung des Abänderungsverfahrens aus anderen Gründen auch wegen bereits im Erstverfahren begründeten Mehrunterhalts, z.B. Vorsorgeunterhalt, den er wegen der Vermutung, dass der Unterhalt in voller Höhe eingeklagt ist, nicht mit einem Zusatzantrag nach § 258 ZPO geltend machen kann.[5]

(3) Der Schuldner muss als Gegner in einem Abänderungsverfahren wegen Herabsetzungsgründen zur Vermeidung eines gegenläufigen Abänderungsverfahrens über den gleichen Anspruch Wiederabänderungsantrag stellen.[6]

(4) Umstände sind jedoch nicht ausgeschlossen, auf die es im Erstverfahren nicht ankam, von denen das Gericht nichts wusste und die zur Verteidigung der Rechtskraft vorgebracht werden.[7]

bb) Der Schuldner muss Abänderungsantrag nach § 238 FamFG stellen.

Es gelten die eben erwähnten Grundsätze zum Abänderungsantrag des Gläubigers entsprechend.

Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Soweit in der Rspr. bei Eröffnung des Abänderungsverfahrens aus anderen Gründen ein zur Zeit des Erstverfahrens begründeter Mehrunterhalt verlangt werden kann, der dort wegen der Vermutung der Geltendmachung des gesamten Anspruchs nicht geltend gemacht werden kann, und soweit Umstände/Einwendungen vorgebracht werden, auf die es für die Erstentscheidung nicht ankam und die deswegen von der allgemeinen Rechtskraft nicht erfasst werden, handelt es sich zwar um Wirkungen der Zukunftsrechtskraft. Diese kann jedoch in Einschränkung der wörtlichen Anwendung von § 238 Abs. 1 und Abs. 2 FamFG durchbrochen werden, weil anders eine grobe Unbilligkeit nicht vermieden werden kann. Dies gilt auch, wenn das Erstgericht die aufgrund der vorliegenden Umstände mögliche Entscheidung über eine bestimmte Frage, etwa die Befristung des Anspruchs, für ein neues Abänderungsverfahren vorbehält,[8] während dies bei Übersehen wegen der Rechtskraft nach der Rechtsprechung des BGH nicht korrigiert werden kann.[9]

Es ist vorzuziehen, der künftigen Rechtskraft grundsätzlich dieselben Wirkungen wie der allgemeinen Rechtskraft beizumessen, jedoch die Folge der Anwendbarkeit von § 238 FamFG (Präklusion) in bestimmten Fallgruppen einzuschränken, die vom Gesetzgeber in ihrer Besonderheit nicht bedacht wurden, d.h. den Schwerpunkt des Problems weniger bei der Geltung der Festlegung (Rechtskraft/vertragliche Bindung) als bei der Abänderbarkeit einer Festlegung des Unterhaltsanspruchs vor dessen Fälligkeit zu sehen. Genau dies ist geschehen, indem sich die Rechtsprechung[10] nicht an die Verweisung in § 323 Abs. 4 ZPO a.F. gehalten hat, wonach Vergleiche ohne Rücksicht auf ihre fehlende Rechtskraft wie Urteile abzuändern sind, sondern nach den Regeln der Geschäftsgrundlage. Dies hat der Gesetzgeber durch die Schaffung von § 239 F...

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