Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine materielle Rechtskraft für die Zukunft bei Abweisung einer Klage auf künftigen Unterhalt wegen fehlender Bedürftigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Abweisung einer Klage auf künftigen Unterhalt wegen fehlender Bedürftigkeit für die Zeit ab der letzten mündlichen Verhandlung entfaltet auch dann keine materielle Rechtskraft für die Zukunft, wenn zugleich rückständiger Unterhalt zugesprochen wurde. Deswegen ist künftiger Unterhalt, der im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Senats zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse bei Hausfrauenehen begehrt wird, mit der Leistungsklage und nicht mit der Abänderungsklage nach § 323 Abs. 1 ZPO geltend zu machen (Fortführung von BGH, Urt. v. 13.12.1989 - IVb ZR 22/89, FamRZ 1990, 863; v. 30.1.1985 - IVb ZR 63/83, FamRZ 1985, 376; Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 26.1.1983 - IVb ZR 347/81, FamRZ 1984, 353).

 

Normenkette

BGB § 1573 Abs. 2, § 1578 Abs. 1 S. 1; ZPO § 323 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 07.05.2002; Aktenzeichen 1 UF 2/02)

AG Duisburg (Urteil vom 13.12.2001)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf v. 7.5.2002 unter Zurückweisung der weiter gehenden Revision aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG Duisburg v. 13.12.2001 unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober 2001 bis Dezember 2001i.H.v. monatlich 1.267 DM und für die Zeit ab Januar 2002i.H.v. monatlich 648 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt.

Die Parteien sind seit dem 11.1.1997 rechtskräftig geschieden. Mit Urteil des AG Duisburg v. 13.3.2001 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die Zeit v. 1.7. bis zum 21.12.2000 monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 975 DM zu zahlen. Für die Folgezeit wies das AG die Klage rechtskräftig ab, weil die Klägerin über anrechenbare Einkünfte verfügte, die ihren nach der Anrechnungsmethode ermittelten Unterhaltsbedarf deckten. Dabei ging das Gericht von eheprägenden Einkünften des Beklagten i.H.v. 5.231,42 DM und einem Unterhaltsbedarf der Klägerin i.H.v. 2.242,04 DM aus. Darauf rechnete es für die Zeit bis zum 21.12.2000 Einkünfte der Klägerin i.H.v. 1.240 DM und für die Zeit danach solche in bedarfsdeckender Höhe an.

Mit der am 4.10.2001 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BGH zum Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen innerhalb einer Hausfrauenehe die Abänderung des Urteils v. 13.3.2001. Hilfsweise verfolgt sie ihren Antrag auf nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit ab Oktober 2001 auch im Wege der Leistungsklage.

Das AG hat den Beklagten antragsgemäß in Abänderung des Urteils v. 13.3.2001 verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt i.H.v. monatlich 1.320 DM für die Zeit von Oktober bis Dezember 2001 und i.H.v. 660 EUR für die Zeit ab Januar 2002 zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG das Urteil nur geringfügig abgeändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober bis Dezember 2001i.H.v. monatlich 1.267 DM und für die Zeit ab Januar 2002i.H.v. monatlich 648 EUR zu zahlen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet und führt lediglich aus prozessualen Gründen, nicht aber in der Sache zu einer Änderung des Urteilstenors.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 1574 (OLG Düsseldorf v. 7.5.2002 - 1 UF 2/02, OLGReport Düsseldorf 2002, 353 = FamRZ 2002, 1574) veröffentlicht ist, hat die Revision wegen der Rechtsfrage zugelassen, ob die Abänderung eines Unterhaltsurteils nach § 323 ZPO trotz gleich gebliebener Einkommensverhältnisse allein wegen der geänderten Rechtsprechung des BGH zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse in einer Hausfrauenehe (BGH, Urt. v. 13.6.2001 - XII ZR 343/99, BGHZ 148, 105 = MDR 2001, 991 = BGHReport 2001, 549 = FamRZ 2001, 986) zulässig ist. Auf diese Rechtsfrage, die der Senat inzwischen mit Urt. v. 5.2.2003 (BGH, Urt. v. 5.2.2003 - XII ZR 29/00, BGHZ 153, 372 = BGHReport 2003, 666 = MDR 2003, 876 = FamRZ 2003, 848) i.S.d. angefochtenen Urteils entschieden hat, kommt es indes nicht an. Denn das Begehren der Klägerin ist nicht im Wege der Abänderungsklage, sondern entsprechend ihrem Hilfsantrag nur in der Form einer neuen Leistungsklage nach § 258 ZPO zulässig.

II.

Das AG ist davon ausgegangen, dass die Klage als Abänderungsklage gem. § 323 ZPO zulässig ist. Es hat den Beklagten deswegen auf den Hauptantrag der Klägerin unter Abänderung des Urteils v. 13.3.2001 zu Unterhaltszahlungen ab Oktober 2001 verurteilt. Dem ist das OLG im Grundsatz gefolgt. Insoweit hält die rechtliche Beurteilung den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Der Senat hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein Unterhaltsverlangen, das wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers rechtskräftig abgewiesen worden ist, nach Eintritt der vormals fehlenden Anspruchsvoraussetzungen im Wege einer neuen Leistungsklage, die nicht an die Voraussetzungen des § 323 ZPO gebunden ist, geltend zu machen ist (BGH, Urt. v. 30.1.1985 - IVb ZR 63/83, FamRZ 1985, 376 [377]; v. 13.12.1989 - IVb ZR 22/89, FamRZ 1990, 863 [864]). Denn die Abänderung eines Urteils nach § 323 ZPO setzt schon nach dem Wortlaut eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen voraus. Nur ein der Unterhaltsklage für die Zukunft wenigstens teilweise stattgebendes Urteil wirkt über den Zeitpunkt der Entscheidung hinaus, indem seine Rechtskraft auch die erst künftig zu entrichtenden Unterhaltsleistungen erfasst, deren Festsetzung auf einer Prognose der künftigen Entwicklung beruht. Weicht die tatsächliche Entwicklung von dieser Prognose ab, handelt es sich deswegen nicht um eine neue Tatsachenlage, sondern um einen Angriff gegen die Richtigkeit des früheren Urteils, das mit Hilfe von § 323 ZPO unter Durchbrechung seiner Rechtskraft den veränderten Urteilsgrundlagen angepasst werden kann.

Ist die Klage hingegen abgewiesen worden, weil der geltend gemachte Unterhaltsanspruch nicht bestand, so liegt der Abweisung für die Zukunft keine sachliche Beurteilung nach den voraussichtlich in der Zukunft bestehenden Verhältnissen zu Grunde. Deswegen kommt einem solchen klagabweisenden Urteil auch keine in die Zukunft reichende Rechtskraftwirkung zu, für deren Durchbrechung es der Vorschrift des § 323 ZPO bedürfte. Tritt in diesen Fällen die vormals fehlende Anspruchsvoraussetzung später ein, steht die Rechtskraft des klagabweisenden Urteils einer neuen Leistungsklage ebenso wenig im Wege wie in sonstigen Klagabweisungsfällen, in denen eine neue Tatsache eintritt, die einen anderen, vom rechtskräftigen Urteil nicht erfassten Lebensvorgang schafft (BGH, Urt. v. 30.1.1985 - IVb ZR 63/83, FamRZ 1985, 376 [377]; so auch Wendl/Thalmann, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 8 Rz. 142a ff.; Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln, 3. Aufl., Rz. 78; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 5316; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 323 Rz. 42).

Die gegen diese Rechtsprechung angeführten Argumente (vgl. Göppinger/Vogel, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 2386 m.w.N.) überzeugen nicht. Zwar ist der Ausgang des Vorprozesses letztlich ausschlaggebend dafür, ob eine neue Forderung im Wege der Abänderungsklage oder der Leistungsklage geltend zu machen ist. Das ist jedoch zwingend durch den Umfang der Rechtskraft der abzuändernden Entscheidung vorgegeben. Einer Urteilsabänderung nach § 323 ZPO als Durchbrechung der materiellen Rechtskraft bedarf es nur, wenn die frühere Entscheidung tatsächlich eine der Rechtskraft fähige Entscheidung für die Zukunft enthält. Umgekehrt steht die frühere Entscheidung einer neuen Leistungsklage nicht entgegen, wenn ihre Rechtskraft sich auf die Vergangenheit beschränkt. Ob dieses der Fall ist, kann sich nur aus dem Inhalt der Entscheidung ergeben, nämlich daraus, ob sich die frühere Entscheidung im Wege einer Prognose der künftigen Verhältnisse mit den Voraussetzungen des künftigen Unterhaltsanspruchs befasst hat. Das ist bei Abweisung der Klage schon auf der Grundlage der gegenwärtigen Verhältnisse nicht der Fall.

Die Rechtsprechung des Senats führt auch nicht zu der Konsequenz, dass im Falle eines der Klage auf laufenden Unterhalt nur teilweise stattgebenden Ersturteils hinsichtlich des abgewiesenen Teils eine neue Klage und im Übrigen eine Abänderungsklage zulässig ist (so aber Göppinger/Vogel, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 2386, unter Hinweis auf Wax, FamRZ 1982, 347 [348]). Solche Ausgangsurteile beruhen, auch wenn sie der Klage nur teilweise stattgegeben haben, stets auf einer Prognose für die Zukunft und erwachsen damit auch für diese Zeit in Rechtskraft. Auch sie können deswegen insgesamt nur unter Durchbrechung dieser Rechtskraft nach § 323 ZPO abgeändert werden. Diese Auffassung steht auch im Einklang mit dem Senatsurteil v. 30.1.1985 (BGH, Urt. v. 30.1.1985 - IVb ZR 63/83, FamRZ 1985, 376 [377]), in dem der Senat eine Abänderungsklage gegen ein klagabweisendes Urteil für zulässig erachtet hat. Das abzuändernde Urteil beruhte dort nämlich trotz der Klagabweisung auf einer Zukunftsprognose, weil es seinerseits ein früheres (stattgebendes) Urteil auf künftige Unterhaltszahlungen abgeändert hatte.

2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist das Begehren der Klägerin nicht als Abänderungsklage, sondern als neue Leistungsklage zulässig.

Das AG hatte den Beklagten am 13.3.2001 zu (rückständigem) nachehelichem Ehegattenunterhalt für die Zeit v. 1.7. bis zum 21.12.2000 verurteilt und die Klage für die Folgezeit abgewiesen, weil der Unterhaltsbedarf gedeckt war. Schon im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestand deswegen auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse kein Unterhaltsanspruch mehr. Die Klagabweisung für die Zukunft beruhte deswegen nicht auf einer Prognose der künftigen Entwicklung für die Zeit ab der letzten mündlichen Verhandlung, sondern auf den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entscheidung. Die Rechtskraft dieses Urteils erstreckt sich deswegen auch nicht auf künftige Unterhaltsansprüche der Klägerin. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt im Senatsurteil v. 26.1.1983 (BGH, Urt. v. 26.1.1983 - IVb ZR 347/81, FamRZ 1984, 353). Dort hatte das Ausgangsgericht einen Unterhalt über den Entscheidungszeitpunkt hinaus zugesprochen, der erst in der Zukunft entfallen sollte. Jene Entscheidung beruhte deswegen auf einer Zukunftsprognose, ist somit auch insoweit in Rechtskraft erwachsen und konnte nur unter Durchbrechung der Rechtskraft nach § 323 ZPO abgeändert werden. Die Rechtskraft des hier vorliegenden Urteils v. 13.3.2001 erfasst hingegen künftige Unterhaltsansprüche nicht und steht deswegen einer neuen Leistungsklage auch nicht entgegen. Das Urteil kann somit mangels Rechtskraft für die Zukunft auch nicht im Wege des § 323 ZPO abgeändert werden. Weil die Klägerin ihr Begehren allerdings hilfsweise auch im Wege der Leistungsklage verfolgt hat, kann der Senat den Entscheidungstenor auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts ändern.

III.

Soweit das Berufungsgericht den nach § 1573 Abs. 2 BGB geschuldeten nachehelichen Ehegattenunterhalt im Wege der Differenzmethode ermittelt hat, entspricht dieses der Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 13.6.2001 - XII ZR 343/99, BGHZ 148, 105 = MDR 2001, 991 = BGHReport 2001, 549 = FamRZ 2001, 986; v.5.5.2004 - XII ZR 132/02, BGHReport 2004, 1222 = MDR 2004, 1000 = FamRZ 2004, 1173) und wird auch von der Revision nicht angegriffen. Die Unterhaltsberechnung beruht auch nicht auf den Besonderheiten der Abänderungsklage nach § 323 ZPO und ist deswegen auf die Unterhaltsbemessung im Wege der Leistungsklage übertragbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1268472

NJW 2005, 142

BGHR 2005, 323

EBE/BGH 2004, 2

EBE/BGH 2004, 403

FamRZ 2005, 101

FuR 2005, 178

JurBüro 2005, 220

ZAP 2005, 171

AnwBl 2005, 29

JA 2005, 165

MDR 2005, 397

FamRB 2005, 74

NJW-Spezial 2005, 153

ZFE 2005, 62

FK 2005, 40

JWO-FamR 2004, 402

LMK 2005, 27

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