A. [1] Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt bei der Anrechnung von Kindergeld auf den Kindesunterhalt gemäß § 1612b BGB n.F., wenn der Unterhaltspflichtige neben der Zahlung von Kindesunterhalt zur Leistung von Ehegattenunterhalt verpflichtet ist.

I. [2] 1. a) Eltern schulden ihren Kindern unter den Voraussetzungen der §§ 1601 ff. BGB Unterhalt. Gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges, unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes. Der andere Elternteil ist zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. Der Anspruch auf Kindesunterhalt setzt auf Seiten des unterhaltsberechtigten Kindes einen Unterhaltsbedarf voraus, der sich gemäß § 1610 BGB nach seiner Lebensstellung bestimmt und der in § 1612a BGB sowie den hierauf beruhenden Unterhaltstabellen der Oberlandesgerichte näher definiert ist. Kindesunterhalt kann nur begehrt werden, wenn und soweit das Kind nicht in der Lage ist, seinen Bedarf durch eigene Einkünfte gemäß § 1602 Abs. 2 BGB zu decken. Verbleibt nach Abzug eigener Einkünfte ein Restbedarf, so hat das Kind in dieser Höhe einen Unterhaltsanspruch gegen seinen unterhaltsverpflichteten Elternteil.

[3] Eltern erhalten Kindergeld nach den Bestimmungen des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) beziehungsweise des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das am Existenzminimum des Kindes orientierte Kindergeld steht den Eltern grundsätzlich zu gleichen Teilen zu, es wird allerdings zur verwaltungstechnischen Erleichterung gemäß § 3 Abs. 1 BKGG und § 64 Abs. 1 EStG nur einem Elternteil, regelmäßig dem betreuenden Elternteil, ausgezahlt.

[4] b) Nach § 1612b BGB in der bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung wurde das beiden Elternteilen zustehende, jedoch lediglich einem Elternteil ausgezahlte Kindergeld mit dem Barunterhalt verrechnet. Schuldete der Barunterhaltspflichtige neben Kindesunterhalt auch – gemäß § 1609 Abs. 2 BGB a.F. gleichrangigen – Ehegattenunterhalt, wurde der Kindesunterhalt in die Berechnung des Ehegattenunterhalts in Höhe des Tabellenbetrags eingestellt. Diese Berechnungsmethode führte dazu, dass dem Barunterhaltspflichtigen sein Kindergeldanteil grundsätzlich unvermindert verblieb. Dies wurde lediglich durch § 1612b Abs. 5 BGB a.F. eingeschränkt, dessen Verfassungskonformität das Bundesverfassungsgericht bestätigte (vgl. BVerfGE 108, 52 ff.). Danach hatte die Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsanspruch des Kindes zu unterbleiben, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande war, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetragsverordnung zu leisten.

[5] c) Mit dem am 1.1.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 (BGBl I S. 3189) hat der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht reformiert. Dies führte unter anderem bei den Regelungen zum Mindestunterhalt minderjähriger Kinder und zur unterhaltsrechtlichen Behandlung des Kindergeldes zu wesentlichen Änderungen.

[6] § 1612a BGB wurde geändert. Bezugsgröße für den dynamischen Kindesunterhalt ist nicht mehr die Regelbetragsverordnung, sondern ein im Gesetz festgeschriebener Mindestunterhalt, der sich in Anpassung an die Vorschriften des Steuerrechts nach dem doppelten Freibetrag für das Existenzminimum eines Kindes richtet.

[10] Die unterhaltsrechtliche Behandlung von Kindergeld wurde in § 1612b BGB n.F. neu konzipiert.

[17] An die Stelle der bisherigen Anrechnung des Kindergeldes auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes in § 1612b BGB a.F. ist danach der Vorwegabzug des Kindergeldes von dessen Barunterhaltsbedarf getreten.

[18] Mit der Neuregelung des § 1612b BGB hat der Gesetzgeber auf die vom Bundesverfassungsgericht mit Beschl. v. 9.4.2003 (BVerfGE 108, 52, 73 ff.) ausgesprochene Forderung nach Normenklarheit und Harmonisierung des Unterhaltsrechts mit anderen Gesetzen reagiert. Die unterhaltsrechtlichen Wertungen wurden insbesondere mit denjenigen des Sozialrechts in Einklang gebracht. Nach diesen stellt Kindergeld eine staatliche Leistung für das Kind an die Eltern dar, welche dem Kind nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II und des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII als Einkommen zugerechnet wird und welche seinen individuellen Hilfebedarf mindert (vgl. BT-Drucks 16/1830, S. 29).

[19] Zur Verdeutlichung der geänderten Behandlung des Kindergeldes ersetzte der Gesetzgeber die in § 1612b BGB a.F. gewählte Formulierung der "Anrechnung" des Kindergeldes auf den Unterhaltsanspruch des Kindes durch diejenige der "Verwendung" des Kindergeldes zur "Deckung" seines Barbedarfs (vgl. BT-Drucks 16/1830, S. 30). In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 15.6.2006 heißt es, der Wortlaut solle zum Ausdruck bringen, dass die Zuweisung des Kindergeldes an das Kind familienrechtlich bindend sei (vgl. BT-Drucks 16/1830, S. 30). Mit der Wahl des Wortes "verwenden" in der Neufassung solle zum Ausdruck gebracht werden, dass das Kind ein...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge