Ebenso wie die elterliche Sorge des einen steht das Umgangsrecht des anderen Elternteils unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Wenn die Eltern sich über die Ausgestaltung des Umgangs nicht einigen können, muss das Gericht bei seiner Entscheidung die beiderseitigen Grundrechtspositionen und ebenso das Wohl des betroffenen Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen.[10] Aus dieser und weiteren neueren Entscheidungen[11] wird auch deutlich, dass das BVerfG verfassungsrechtliche Bezüge zugunsten des Umgangsberechtigten immer stärker betont.

Wie zum Wohl des Kindes i.d.R. der Umgang mit beiden Elternteilen gehört (§ 1626 Abs. 3 S. 1 BGB), hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 BGB). Streitig war bisher, ob sich daraus für das Kind ein gerichtlich durchsetzbares Umgangsrecht ergibt und ob ein Elternteil den anderen unmittelbar in die Pflicht zum Umgang nehmen kann.[12] Beide Fragen sind jetzt gelöst: Nach dem Urteil des BVerfG v. 1.4.2008[13] dient ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen einen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, regelmäßig[14] nicht dem Kindeswohl und ist damit nicht gerechtfertigt. Das Recht auf Umgang mit seinen Eltern steht dem Kind als höchstpersönliches Recht zu und kann deshalb auch nur von ihm, vertreten durch den sorgeberechtigten Elternteil oder, bei Interessenkonflikt, durch einen Verfahrenspfleger, besser wohl: Ergänzungspfleger, nicht dagegen von dem Elternteil im eigenen Namen gerichtlich geltend gemacht werden.[15]

Ein wichtiger Gesichtspunkt namentlich in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren ist die Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Sie ist aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten (Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 3 GG). Die diesem Prinzip innewohnende Rechtssicherheit erfordert, dass strittige Rechtsverhältnisse in angemessener Zeit geklärt werden.[16] Richtschnur für die Angemessenheit einer konkreten Verfahrensdauer sind die Umstände des Einzelfalles, namentlich die Natur des Verfahrens und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer auf die Beteiligten. Insbesondere im Hinblick auf das gegenüber Erwachsenen andere kindliche Zeitempfinden und die besondere Bedeutung von Sorge- und Umgangsrecht erfordert effektiver Rechtschutz eine besondere Beschleunigung des Verfahrens.[17]

Einen wesentlichen Beitrag zur Fortentwicklung des Rechts stellt auch die Entscheidung des BVerfG vom 9.4.2003 dar.[18] Danach war die Nichtberücksichtigung des leiblichen, biologischen (aber nicht rechtlichen) Vaters in den bisherigen Normierungen gem. § 1600 und § 1685 BGB mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG nicht vereinbar. Hinzu kamen bemerkenswerte internationale Impulse zur Ausgestaltung des Umgangs- und Anfechtungsrechts.[19] Das alles führte zu einem Gesetz[20] mit dem langen Titel: "Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes (zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern)" – Klammern von mir hinzugesetzt.

In dem hier relevanten Bereich "Umgangsrecht" ist der Gesetzgeber über die Vorgaben des BVerfG hinausgegangen. Unter nunmehrigem Verzicht auf eine enumerative Aufzählung sonstiger Umgangsberechtigter wird ein Umgangsrecht "engen" Bezugspersonen des Kindes eingeräumt, wenn sie für es tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben ("sozial-familiäre Beziehung"). Die vorgeburtliche Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme reicht nicht aus.[21]

[10] BVerfG (Kammerbeschluss) FamRZ 2007, 105 m.w.N.
[11] BVerfG u.a. FamRZ 2007, 335 und 1078.
[12] Vgl. zum bisherigen Streitstand Luthin, in: FS/Schwab, S. 809, 811 f. m.w.N.
[13] BVerfG FamRZ 2008, 845 m. Anm. Luthin, S. 853.
[14] Ausnahmen deutet das BVerfG FamRZ 2008, 845, 851 f. selbst an.
[15] BGH FamRZ 2008, 1334 m. Anm. Luthin, S. 1335.
[16] BVerfG 88, 118, 124; BVerfG, FamRZ 2004, 689.
[17] BVerfG u.a. FamRZ 2001, 753; 2004, 689.
[18] BVerfG FamRZ 2003, 816.
[19] Vgl. dazu Lenz/Baumann, Umgangsrecht auf internationaler Ebene, insbesondere vor dem EGMR, FPR 2004, 303.
[20] BGBl. 2004 I S. 598. S. zu dem neuen Gesetz Höfelmann, FamRZ 2004, 745.
[21] BVerfG (Kammerbeschluss) FamRZ 2006, 1661.

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