Gründe: I. [1] Der Senat lässt sich bei seiner Absicht nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

[2] Eine mündliche Verhandlung hat bereits in erster Instanz stattgefunden. Weitere Erkenntnisse sind nicht zu erwarten.

II. [3] Das Amtsgericht – Familiengericht – Leer hat mit angefochtenem Beschluss u.a. unter Ziffer III. den Antragsteller verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 427 EUR zum 1. eines jeden Monats im Voraus zu zahlen.

[4] Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde. Mit dieser begehrt sie die Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Leer vom 22.3.2023 dahingehend, dass der Antragsteller verpflichtet ist, über den titulierten Betrag i.H.v. 427 EUR hinausgehend ab Rechtskraft der Ehescheidung einen weiteren nachehelichen Unterhalt in Höhe von 116 EUR, mithin insgesamt 543 EUR zum 1. eines jeden Monats im Voraus zu zahlen.

[5] Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf die – neuere – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach sich der Bedarf beider Kinder nach den ehelichen Lebensverhältnissen, d.h. nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile bestimme. Das zusammengerechnete Einkommen betrage unstreitig nach der amtsgerichtlichen Entscheidung 4.584 EUR, so dass ein Bedarf für alle 3 Kinder in einer Gesamthöhe von 1.498 EUR bestehe. Der Antragsteller leiste hierauf 1.071 EUR, so dass eine Differenz in Höhe von 427 EUR verbleibe. Dieser Betrag sei auf Seiten der Antragsgegnerin von ihrem bereinigten Einkommen in Höhe von 1.282,00 EUR in Abzug zu bringen, so dass ein Betrag von 855 EUR verbleibe. Abzüglich des Erwerbstätigenbonus verbleibe ein Betrag von 770 EUR. Nach dem Halbteilungsgrundsatz schulde der Antragsteller danach 543 EUR nachehelichen Unterhalt.

[6] Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

[7] Im Ausgangspunkt zutreffend verweist die Antragstellerin auf den vom Bundesgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 18.5.2022 – XII ZB 325/20, BGHZ 233, 309–325, Rn 50–51), wonach sich der Bedarf beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet, bemesse. Auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder komme es auf die Lebensstellung beider Eltern an (Senatsbeschl. BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn 14 m.w.N.), wobei bei gehobenem Einkommen eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle zu erwägen ist (vgl. BGH, Beschl. BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn 19 ff.; Rubenbauer/Dose, NZFam 2021, 661, 666 f.). Die Unterhaltsverpflichtung des Barunterhaltsschuldners ist jedoch auf den Betrag begrenzt, den er aufgrund des von ihm allein erzielten Einkommens zahlen müsste (BGH, Beschl. BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28 Rn 14).

[8] Daher sei von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leiste der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, sei nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 474/20, FamRZ 2021, 1965 Rn 34 m.w.N.).

[9] Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abzugsfähigkeit von geleistetem restlichen Naturalunterhalt vom Einkommen des betreuenden Elternteils vermag – jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation – nicht zu überzeugen.

[10] Der Bundesgerichtshof ist in der zitierten Entscheidung ohne eingehende nähere Begründung von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen, wonach sich bislang der angemessene Bedarf eines minderjährigen Kindes allein nach dem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils beurteilt (vgl. BGH, Urt. v. 8.4.1981, FamRZ 1981, 543; Urt. v. 9.7.2003, FamRZ 2003, 1471; Urt. v. 28.2.2007, FamRZ 2007, 707; Beschl. v. 12.3.2014, FamRZ 2014, 917).

[11] So naheliegend die grundsätzliche Annahme des Bundesgerichtshofs in seinen neuerlichen Entscheidungen ist, dass sich die Lebensstellung des Kindes nach den beiderseitigen Einkünften der Eltern bemesse, muss jedoch bereits diese Annahme zumindest kritisch hinterfragt werden. Während bestehender Ehe oder Lebensgemeinschaft wird man der Grundannahme noch ohne weiteres zustimmen können, nach der Trennung der Eltern passt diese Annahme jedoch nicht mehr uneingeschränkt. Wenn man der Annahme folgt, dass sich die Lebensstellung mangels noch nicht gegebener eigenständiger Lebensstellung des minderjährigen Kindes nach den (wechselnden) Lebensverhältnissen der Eltern ableitet, so wird man auch die mit der Trennung der Eltern einhergehenden veränderten Lebensverhältnisse mit zu berücksichtigen haben. Di...

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