Unterhalt dient der Befriedigung eines aktuellen Unterhaltsbedürfnisses. Unterlässt der Unterhaltsbedürftige Bemühungen zur Realisierung seines Unterhalts, erweckt er den Eindruck, auf Unterhalt nicht angewiesen zu sein. Dies kann dem Unterhaltspflichtigen Veranlassung geben, sich hinsichtlich vergangener Unterhaltszeiträume auf Verwirkung zu berufen. Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen (§ 242 BGB) in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.

An das sogenannte Zeitmoment der Verwirkung sind bei Unterhaltsansprüchen keine strengen Anforderungen zu stellen und es kann bereits dann erfüllt sein, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die ein Jahr oder länger zurückliegen.

Neben dem reinen Zeitablauf muss für den Eintritt einer Verwirkung auch das sogenannte Umstandsmoment erfüllt sein. Hierfür müssen Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Schuldners rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Dieser Vertrauenstatbestand kann nicht allein durch Zeitablauf geschaffen werden, so dass ein bloßes Unterlassen insoweit nicht ausreicht.[36]

Zu der Annahme, der Unterhaltsgläubiger habe seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben, kann für einen Unterhaltspflichtigen dann Veranlassung bestehen, wenn ausgehend von einer durch ihn erteilten Auskunft mangels Leistungsfähigkeit ersichtlich kein Anspruch gegeben ist. Anders ist die Sachlage indes regelmäßig bei titulierten Ansprüchen. Hierbei ist das Umstandsmoment grundsätzlich zu verneinen, wenn Vollstreckungsversuche deshalb unterbleiben, weil sie angesichts der finanziellen Situation des Schuldners voraussichtlich erfolglos geblieben wären.

Im entschiedenen Fall wurde das Umstandsmoment bejaht, weil der Unterhaltspflichtige nach den im Einzelnen behandelten Umständen nicht mehr damit rechnen musste, aus einem vollstreckbaren Unterhaltstitel aus dem Jahr 2003 noch in Anspruch genommen zu werden.[37]

[37] OLG Braunschweig, Beschl. v. 23.11.2022 – 1 WF 138/22, NJW-RR 2023, 291 = BeckRS 2022, 33658 = FamRZ 2023, 522, bespr. v. Langeheine, NZFam 2023, 275.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge