Die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle hat bewirkt, dass in der Praxis – mag es kraft Einsicht oder aus Furcht davor, unwirksame oder der Anpassung unterfallende Vereinbarungen zu treffen, geschehen – mehr Bedacht darauf genommen wird, ausgewogenere Regelungen zu finden. Auch die Notare haben einen umfangreichen Belehrungsapparat in ihre Verträge aufgenommen. Totalverzichte nebst Vereinbarung der Gütertrennung sind sehr selten geworden.

Ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs erfolgt i.d.R. nicht mehr ohne angemessene Kompensationsleistungen.

Im Güterrecht werden häufig modifizierende Vereinbarungen zum Zugewinnausgleich getroffen (Herausnahme von Grundstücken oder Betrieben aus dem Anfangs- und Endvermögen, verbunden mit Surrogationsregelungen) als "milderes Mittel" zur Gütertrennung.

Der Betreuungsunterhalt wird – wenn überhaupt – meist nur behutsam modifiziert. Vereinbart werden zum Teil Obergrenzen des Betreuungsunterhalts bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen, bei denen sich der Unterhalt aus Teilansprüchen von Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt zusammensetzt.

Weniger geschützte Unterhaltstatbestände, insbesondere der Aufstockungsunterhalt, werden häufig betragsmäßig und zeitlich begrenzt.

Auch Unterhaltsansprüche wegen Krankheit werden befristet, meist im Verhältnis zur Ehedauer.

Lag früher der Hauptzweck der ehevertraglichen Regelungen darin, gesetzliche Ansprüche zu beschränken, sind seit der Unterhaltsreform 2008 weitere Funktionen hinzugekommen.

Es hat sich herumgesprochen, dass die Gesetzesänderungen im nachehelichen Unterhalt rechtliche Unsicherheiten mit sich gebracht haben. Regelmäßiger Streitpunkt beim nachehelichen Unterhalt ist die Auslegung der Billigkeitsregelungen in § 1570 BGB und § 1578b BGB.

Vormals klar umrissene Ansprüche sind rechtsunsicher geworden. Das Bestreben des Gesetzgebers, dem Einzelfall mehr Rechnung zu tragen, geht auf Kosten der Rechtssicherheit. Das Altersphasenmodell wurde aufgegeben. An seine Stelle trat eine am einzelnen Fall orientierte Abwägung anhand kindbezogener und elternbezogener Gründe, Ausgang meist offen.

Die jahrzehntelange Rechtsprechung, dass ab einer Ehedauer von zehn Jahren die Grenze erreicht sein dürfte, ab der der Aufstockungsunterhalt nicht mehr befristet werden kann, ist durch Rechtsprechung und Gesetzgeber einer Billigkeitsklausel gewichen, die eine umfangreiche Einzelfallabwägung verschiedener Kriterien notwendig macht, Ausgang ebenfalls meist offen. Zudem wurde die Befristungsmöglichkeit auf alle Unterhaltstatbestände erweitert.

In der Praxis wiegt der Verlust an Rechtssicherheit für die betroffenen Eheleute meist schwer. Die unterhaltsbedürftige Ehefrau möchte wissen, wann und in welchem Umfang sie neben der Kinderbetreuung arbeiten muss. Sie möchte wissen, ob sie sich die Miete für eine andere Wohnung nach der Trennung leisten kann, d.h. wie lange sie nach der Scheidung mit dem Ehegattenunterhalt rechnen kann.

Der geschiedene Ehemann, der eine neue Familie gründen möchte, hat dasselbe Interesse, zu wissen, wie lange er nachehelichen Unterhalt bezahlen muss.

Ob eine vermeintliche Einzelfallgerechtigkeit den Verlust an Rechtssicherheit aufwiegt, kann bezweifelt werden. Eine Einzelfallgerechtigkeit verdient diese Bezeichnung nur, wenn im Rahmen der Einzelfallprüfung vergleichbare Einzelfälle auch einer vergleichbaren Lösung zugeführt werden. Das ist nach den Erfahrungen in der Praxis aber nicht sichergestellt.

Jedenfalls hat das Bedürfnis der Eheleute, möglichst rechtsklare und damit streitvermeidende Lösungen zu haben, dazu geführt, dass sich die Funktion des Ehevertrags erweitert hat. Der Ehevertrag soll helfen, Defizite an Rechtssicherheit der gesetzlichen Regelung auszugleichen.

Nicht selten wünschen die künftigen Eheleute betragsmäßige und zeitliche Festlegungen zum nachehelichen Unterhalt und zum Umfang von Erwerbsobliegenheiten orientiert an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der Ehevertrag soll ihnen Rechtssicherheit schaffen, die ihnen das Gesetz verweigert. Sie möchten nicht streiten müssen über die Auslegung weiter Billigkeitsvorschriften. Dass dazu Pauschalierungen notwendig sind, wird in Kauf genommen. Auch modifizierte Altersphasenmodelle leben auf diese Weise wieder auf.

Schließlich gibt es auch – wenngleich selten – Eheverträge, die gesetzliche Ansprüche erweitern. Ehegatten, die bewusst das klassische Modell der Haushaltsführung und Kinderbetreuung leben, das rechtlich – obwohl tatsächlich noch weit verbreitet[65] – aus der Zeit gefallen zu sein scheint, und auf Fremdbetreuung ihrer Kinder auch bei Scheitern ihrer Ehe verzichten wollen, regeln im Ehevertrag Ansprüche auf Betreuungsunterhalt, die den gesetzlichen Rahmen bewusst erweitern. Erwerbsobliegenheiten des Elternteils, der die Kinder betreut und betreuen soll, werden dabei gegenüber den gesetzlichen Anforderungen zum Teil deutlich entschärft.

[65] Siehe Artikel aus Der Spiegel Nr. 3/2017, S. 10 ff.

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